URI: 
       # taz.de -- Neuwahlen in Israel: Keine Gefahr für Netanjahu
       
       > Anfang September wird ein neues Parlament gewählt. Die Regierung ist über
       > Ultraorthoxe und Siedlungen zerstritten. Gleich zwei neue Parteien treten
       > an.
       
   IMG Bild: Diese Siedler freuen sich, dass sie weiter siedeln können, die Regierung ist aber über der Siedlerfrage zerbrochen.
       
       JERUSALEM taz | Ein Thema steht nicht auf den Wahlplakaten der führenden
       israelischen Parteien: der Friedensprozess mit den Palästinensern. Likud,
       die religiöse Schass und die Arbeitspartei einigten sich auf den 4.
       September als Termin für vorgezogene Neuwahlen. Nur die zentristische
       Kadima ist dagegen.
       
       Schaul Mofaz, neuer Chef der Kadima, die bei den Wahlen 2009 als stärkste
       Partei abschnitt, würde heute gerade noch 6 Prozent bekommen. Am Donnerstag
       veröffentlichte die liberale Tageszeitung Ha’aretz eine Umfrage, nach der
       Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Popularitätsliste mit großem
       Abstand anführt. 48 Prozent der Israelis vertrauen demnach dem Likudchef.
       
       Grund für die Neuwahlen ist weder der Bruch der Koalition noch ein
       Misstrauensvotum. Netanjahu drängt auf einen vorgezogenen Termin, weil er
       zusehends unter den Druck seiner Partner geriet. Das sogenannte Tal-Gesetz,
       das ultraorthodoxe Männer von der Armee befreit, ist Außenminister Avigdor
       Lieberman von der rechtsnationalen Israel Beteinu ein Dorn im Auge.
       
       Lieberman drohte zudem, die Koalition zu verlassen, sollten „illegale
       Vorposten“ im Westjordanland abgerissen werden, wie der Oberste Gerichtshof
       jüngst entschied.
       
       ## Barak muss sich Sorgen machen
       
       Eine Umfrage der Zeitung Ma’ariw gibt dem Likud 31 Mandate, gefolgt von der
       Arbeitspartei mit 18 Sitzen in der Knesset. Sorgen machen muss sich Ehud
       Barak. Der Verteidigungsminister, der die Arbeitspartei jüngst verließ, um
       mit der Atzmaut (Unabhängigkeit) eigene Wege einzuschlagen, wirbt mit dem
       Slogan: „Der richtige Mann für die Verteidigung.“ Möglich ist, dass die
       Atzmaut die Zweiprozenthürde zum Einzug in die Knesset nicht schafft.
       
       Spannend dürfte das Abschneiden der neuen Partei Jesch Atid (Es gibt eine
       Zukunft) werden. Parteichef ist der smarte Ex-Anchorman Jair Lapid, Sohn
       von Tommi Lapid, der einst mit seiner antireligiösen Schinui in die Knesset
       einzog. Wie sein Vater schreibt Lapid junior den Wehrdienst auch für
       Orthodoxe auf seine Wahlplakate. „Wir haben nichts gegen euch“, sagte er
       auf einer Wahlveranstaltung, „wir wollen nur nicht länger für euch den Kopf
       hinhalten.“ Umfragen geben ihm schon jetzt mehr als 10 Parlamentssitze.
       
       ## 
       
       Mit Lapid im Rennen verliert Lieberman zahlreiche Wähler, denn beide
       vertreten das Prinzip „gleiche Rechte, gleiche Pflichten“ auf ihren
       Plakaten. Bislang hält sich Lapid in Fragen des Friedensprozesses und Iran
       bedeckt. Der neue Mann, der vom Fernsehen kommt, wird versuchen, sich mit
       Teilen der Sozialbewegung zu arrangieren, die im vergangenen Sommer
       massenhaft auf die Straße ging, um gegen die steigenden
       Lebenshaltungskosten zu protestieren.
       
       Bei diesem Thema stößt er wiederum mit der Arbeitspartei zusammen.
       Parteichefin Scheli Jechimowitsch nannte Netanjahu „den schlimmsten
       kapitalistischen Regierungschef, den Israel jemals hatte“. Trotzdem will
       sie ein Zusammengehen mit ihm nicht kategorisch ausschließen. „Wir werden
       aber nur Partner einer Regierung sein, die grundlegende sozial-ökonomische
       Veränderungen einleitet.“
       
       4 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Vorgezogene Neuwahlen in Israel: Knesset löst sich auf
       
       Eigentlich sollte es erst im Herbst 2013 Neuwahlen in Israel geben. Doch
       nach einem Koalitionsstreit in der Regierung hat sich das Parlament selbst
       aufgelöst.
       
   DIR Regierungskrise in Israel: Streit wegen Wehrpflicht
       
       Die Kadima-Partei scheidet aus der israelischen Regierung aus. Die
       Koalition konnte sich nicht auf ein neues Wehrpflichtgesetz einigen. Noch
       hat Netanjahu eine Mehrheit.
       
   DIR Palästinensische Vertreibung 1948: Wer sich erinnert, wird abgestraft
       
       Der Gedenktag der palästinensischen Vertreibung unterliegt einem neuen
       Gesetz. Öffentlichen israelischen Einrichtungen droht Geldentzug, falls sie
       den Tag begehen.
       
   DIR Kommentar Regierungskoalition in Israel: Der Chef will keinen Frieden
       
       Mit der neuen Mehrheit könnte Israel schwierige Entscheidungen in Angriff
       nehmen, die für den Friedensprozess notwendig sind. Doch Netanjahu hat kein
       Interesse.
       
   DIR Netanjahu holt Rivalen ins Boot: Vom Lügner zum Koalitionspartner
       
       Der israelische Regierungschef Bernjamin Netanjahu zimmert sich eine
       Riesenkoalition zusammen. Die Opposition schrumpft auf nur 26 Abgeordnete.
       
   DIR Neue Regierungskoalition in Israel: Ein nächtlicher Überraschungscoup
       
       Benjamin Netanjahus Likud bildet eine große Koalition mit der
       oppositionellen Kadima-Partei. So umgeht der Regierungschef Neuwahlen im
       September und ist politisch gestärkt.
       
   DIR Neuer Schutzwall zum Libanon: Israel mauert sich weiter ein
       
       Ein Teil der Grenze zum Libanon wird bald durch eine Mauer markiert. Das
       mehrere Meter hohe Bauwerk soll einen israelischen Grenzort schützen.
       
   DIR Konflikt zwischen Israel und Palästina: Drei illegale Siedlungen anerkannt
       
       Drei sogenannte Siedlervorposten werden rückwirkend legalisiert. Die
       Entscheidung der Regierung läuft einem Dialog mit den Palästinensern
       zuwider.
       
   DIR Streit mit Israel: Ägypten liefert kein Gas mehr
       
       Israel zahle seine Rechnungen nicht, begründet die ägyptische Firma EGAS
       die Einstellung der Gaslieferungen. Seit sechs Monaten läuft ein
       Schlichtungsverfahren.
       
   DIR Propalästinensische Protest-Kampagne: Neun Aktivisten aus Israel ausgewiesen
       
       40 Teilnehmer der Kampagne „Willkommen in Palästina“ sitzen noch in
       Abschiebehaft in Israel. Sie wollten gegen die Lebensbedingungen im
       Westjordanland protestieren.