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       # taz.de -- Palästinensische Häftlinge: 8 Hungerstreikende in Lebensgefahr
       
       > Palästinensische Gefangene fordern mit ihrem Hungerstreik eine
       > Verbesserung der Haftbedingungen. Dazu gehört die Abschaffung der
       > Administrativhaft ohne Gerichtsverfahren.
       
   IMG Bild: Solidaritätsbekundungen mit den Hungerstreikenden in der Nähe eines Gefängnisses in der West Bank.
       
       JERUSALEM taz | Die Zahl der hungerstreikenden palästinensischen Häftlinge
       in Israel hat die 2.000 überschritten. Nach Auskunft der palästinensischen
       Menschenrechtsorganisation „Addameer“, die sich vor allem der
       Häftlingsfrage widmet, sind acht Gefängnisinsassen in Lebensgefahr.
       
       Die beiden Palästinenser Thaer Mohammad Halahleh und Bilal Diab nehmen
       schon seit dem 28. Februar keine Nahrung mehr zu sich. Diab sitzt seit neun
       Monaten, Halahleh seit zwei Jahren in Haft, ohne dass je Anzeige erhoben
       wurde.
       
       Die Abschaffung der Administrativhaft gehört zu den Forderungen der
       Hungerstreikenden, die in ihrer großen Mehrheit seit dem 17. April die
       Nahrungsaufnahme verweigern. Ihr Forderungskatalog umfasst außerdem das
       Ende der Isolationshaft und eine Lockerung der Haftbedingungen. Derzeit
       sitzen 19 Männer in Isolationshaft, einer von ihnen seit über zwölf Jahren.
       
       Israel hatte infolge der Entführung des Soldaten Gilad Schalit eine Reihe
       von Verschärfungen in den Gefängnissen eingeführt und auch dann nicht
       wieder aufgehoben, als Schalit im vergangenen Oktober von seinen
       Geiselnehmern freigelassen wurde. Bis heute gelten eine eingeschränkte
       Besuchserlaubnis und die Reduzierung von Lesestoff, den die Häftlinge in
       ihre Zelle mitnehmen dürfen.
       
       „Soweit wir von der Hamas informiert sind, war die Aufhebung der
       Haftverschärfungen Teil des Geiselhandels“, erklärt Murad Jadallah von
       „Addameer“. 450 der Häftlinge kommen aus dem Gazastreifen. „Sie durften
       seit über fünf Jahren keinen Besuch haben.“ Anstelle von
       Hafterleichterungen würden in den Zellen immer öfter Durchsuchungen
       vorgenommen. Als gezielte Schikane sieht Jadallah auch die Verlegung von
       Häftlingen: „Die Häftlinge werden entweder von einer Abteilung in eine
       andere verlegt oder sogar von einem Gefängnis ins andere.“
       
       ## Aus der Administrativhaft nach 66 Tagen Hungerstreik entlassen
       
       Anfang des Jahres erzwang Khader Adnan, Aktivist des Islamischen Dschihad,
       nach 66 Tagen Hungerstreik seine Entlassung aus der Administrativhaft.
       Wenig später wurde Hana Shalabi, ebenfalls infolge ihres Hungerstreiks,
       vorzeitig entlassen, wobei sie zunächst drei Jahre im Gazastreifen bleiben
       muss, bevor sie wieder nach Dschenin darf, wo ihre Familie lebt. Shalabi
       gehörte wie Adnan dem Islamischem Dschihad an und saß wie er ohne
       Rechtsverfahren hinter Gittern.
       
       „Adnan und Shalabi haben vermutlich den Anstoß zu dem Hungerstreik
       gegeben“, räumt der Menschenrechtsaktivist Jadallah ein. Der Beginn des
       Streiks fiel auf den Entlassungstag Adnans. Allerdings habe es schon im
       vergangenen Jahr eine Reihe von Hungerstreiks gegeben. Im Moment sitzen,
       laut Statistik von „Addameer“, 4.610 Palästinenser in israelischen
       Haftanstalten, davon 322 Administrativhäftlinge, 203 Minderjährige und
       sechs Frauen. „Wir sind jetzt erst in der dritten Woche“, meint Jadallah
       und glaubt, „dass sicher mehr dazukommen werden und dass der Streik
       mindestens 30 Tage dauern wird“.
       
       Anders als bei Adnan und Shalabi finden derzeit keine direkten
       Verhandlungen statt. „Die Israelis zeigen keinerlei Anzeichen für
       Kompromisse“, begründet Jadallah. Auch die Führung in Ramallah habe bislang
       zu wenig unternommen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hätte längst viel
       klarere Schritte gegen Israel unternehmen müssen.
       
       Ein Mitarbeiter der israelischen „Ärzte für Menschenrechte“ untersuchte die
       beiden am längsten hungernden Häftlinge. Beide litten unter „akuter
       Muskelschwäche, die ihnen das Stehen unmöglich macht“, heißt es in seinem
       Bericht. Lebensbedrohlich seien der „dramatische Gewichtsverlust, ein
       extrem niedriger Puls und Blutdruck, schwerer Wassermangel des Körpers und
       mögliche innere Blutungen“.
       
       2 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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