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       # taz.de -- Proteste gegen Sparpolitik in Spanien: Wieder 40 Schüler pro Klasse
       
       > Rund 100.000 Spanier demonstrieren landesweit gegen die Spar- und
       > Kürzungsorgie der Regierung. Es scheint höchste Zeit zu sein. Weite
       > Kreise der Bevölkerung drohen zu verarmen.
       
   IMG Bild: „Superpublica“ heißt die Figur. Sie tritt als Verteidiger des öffentlichen Bildungswesens auf.
       
       MADRID taz | Es war eine Generalprobe für den 1. Mai. In 55 Städten riefen
       Spaniens Gewerkschaften, Sozialverbände, Bürgerinitiativen und Parteien der
       parlamentarischen Linken am Sonntag zu Demonstrationen gegen die
       Sparpolitik der konservativen Regierung unter Ministerpräsident Mariano
       Rajoy. „Mit der Bildung und Gesundheit spielt man nicht!“, lautete das
       Motto, das trotz langem Wochenende und kaltem, regnerischem Wetter in ganz
       Spanien laut Veranstalter über 100.000 Menschen auf die Straße brachte.
       Alleine in der Hauptstadt Madrid protestierten 40.000 gegen die letzten
       Sparmaßnahmen der Konservativen.
       
       10 Milliarden Euro werden in Schulen und Krankenversorgung gekürzt. Die
       Klassenzimmer müssen künftig in der Oberstufe wieder 40 Schüler aufnehmen.
       Die Arbeitszeit der Lehrer wird verlängert. 80.000 Lehrerstellen werden
       verloren gehen. In den Universitäten werden Stipendien gestrichen und die
       Studiengebühren verdoppelt. Eltern- und Studentenverbände befürchten, dass
       künftig nur noch Kinder aus wohlhabendem Hause studieren können.
       Mittlerweile gesteht selbst Bildungsminister José Ignacio Wert ein, dass
       mit diesen Maßnahmen „die rote Linie überschritten“ und die Qualität der
       Bildung leiden wird.
       
       Die Spanier müssen künftig zehn Prozent der Arzneimittelkosten selbst
       tragen. Für Rentner mit niedriger Altersversorgung wird dabei ein
       Höchstbetrag von 8 Euro pro Monat gelten. Doch müssen sie die tatsächlichen
       Ausgaben bis zu sechs Monaten vorstrecken.
       
       Für Menschen mit niedriger Rente und schweren oder gar chronischen
       Krankheiten ist dies nicht finanzierbar, warnen die Gewerkschaften.
       Immigranten ohne Aufenthaltsgenehmigung haben künftig kein Recht mehr auf
       Gesundheitsversorgung. Das Gleiche gilt für junge Menschen über 26 Jahre,
       die ohne Arbeit und nicht mehr in der Ausbildung sind.
       
       „Die Reformen bringen das Land immer näher an den wirtschaftlichen und
       sozialen Ausnahmezustand“, warnt der Vorsitzende der größten Gewerkschaft
       des Landes, CCOO, Ignacio Fernández Toxo. Er verweist auf die Nachrichten
       der vergangenen Woche. Die Arbeitslosigkeit ist mittlerweile auf knapp 25
       Prozent gestiegen und wird bis 2015 noch einmal zunehmen.
       
       „Der verblüffte Präsident“, titelte die größte Tageszeitung des Landes El
       País am Tag der Demonstrationen. „Die Welle von Sparmaßnahmen und Kürzungen
       der Regierung mit schwerwiegenden sozialen Folgen hat es nicht geschafft,
       die ausländischen Investoren ein wenig zu beruhigen“, schreibt El País. Den
       Ministerpräsidenten scheint dies alles nicht zu berühren. „Jeden Freitag
       wird es neue Reformen geben“, erklärte Rajoy angesichts der Proteste.
       
       29 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
   DIR Privatschule
   DIR Schwerpunkt Occupy-Bewegung
       
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