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       # taz.de -- Debatte Eurokrise: Rettet die Banken!
       
       > Die Finanzbranche ist zum Buhmann geworden. Dabei sind die meisten Banken
       > nützlich. Das Problem sind wenige "systemrelevante" Geldinstitute.
       
   IMG Bild: Wer ist schuld am Euro-Dilemma? Die Banken können nicht immer der Buhmann sein.
       
       Banken sind die Bösen. In diesem Punkt scheinen sich viele einig zu sein,
       vom linken Sektierer bis zum Industrieverband, von der grünen
       Globalisierungskritikerin bis zum Massenblatt Bild. Volkes Stimme tönt:
       Prangert die gierigen Boni-Banker und Investmentzocker an! Zerschlagt ihre
       Banken!
       
       Man möchte willig einstimmen in den Chor der Klagenden, wäre da nicht der
       Verdacht, dass wir es mit einem typisch deutschen Luxusproblem zu tun
       haben: Während die Europäische Union mit 24,55 Millionen Erwerbslosen einen
       traurigen Rekord meldet, machen sich die faustischen Exporteuropameister
       einen Kopf ums Geld. Ausgerechnet in jenem Land, das die große Krise sonst
       wie auf einer Insel der Seligen bestmöglich ignoriert.
       
       Zur Erinnerung: Was im Sommer 2007 mit dem Platzen einer Immobilienblase in
       den Vereinigten Staaten regional begonnen hatte, hat sich schnell zu einer
       globalen Banken-Finanz-Wirtschafts-Staatschulden-Krise ausgewachsen. Und
       ein Ende ist nicht in Sicht. Trotzdem ist jetzt nicht der richtige
       Zeitpunkt, um den „bösen“ Banken eins auszuwischen.
       
       ## Energiewende braucht Banken
       
       Dagegen spricht hauptsächlich die an sich nützliche Rolle, die Banken
       spielen. Sie sammeln die vielen Spargroschen der Bürger ein, die sonst
       nutzlos unter dem Kissen lägen, bündeln sie zu Kapital, das dann
       überwiegend in Form von Krediten an Häuslebauer und Firmen fließt –
       übrigens eine im Kern genossenschaftliche Idee.
       
       Ohne Banken gäbe es also keine neuen Wohnhäuser, und alle kleinen bis
       mittleren Betriebe wären pleite. Und auch mit der Energiewende würde es
       ohne Banken nichts werden: Allein für den Nordsee-Windpark Global Tech I
       der Stadtwerke München sammelte die auf Windenergie spezialisierte
       Norddeutsche Landesbank rund eine Milliarde Euro ein, vor allem bei der
       staatlichen KfW-Bank, der belgischen Dexia und der französischen Großbank
       Société Générale.
       
       Nach der Auswertung von Zehntausenden Unternehmensbilanzen ermittelte der
       Sparkassenverband eine Eigenkapitalquote der deutschen Firmen von rund 18
       Prozent. Eine solch niedrige Eigenkapitalquote bedeutet, dass 82 Prozent
       der laufenden Geschäfte fremdfinanziert werden – also überwiegend von
       Kreditinstituten.
       
       Für eine friedliche Koexistenz mit den Banken spricht außerdem die – nennen
       wir es verschämt: Unschuld vieler Geldinstitute an der Krise. Auf dem
       Finanzmarkt ist nicht allein Europas Nummer eins, die Deutsche Bank, oder
       das Milliardengrab Hypo Real Estate unterwegs, dessen Gebaren die Krise
       mitversursacht hat. In der Bundesrepublik gibt es rund 2.000 in- und
       ausländische Banken.
       
       Am Krisenrad gedreht hat aber nur ein Dutzend von ihnen. Mehr noch: Dank
       den mehr als 400 Sparkassen in öffentlichem Eigentum und über 1.100
       genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken wächst die Macht der
       Großbanken hierzulande nicht in den Himmel.
       
       ## Populäre Schelte greift zu kurz
       
       Die populäre Bankenschelte greift also zu kurz: Auch nach dem Ende des
       „finanzakteurgetriebenen Kapitalismus“, wie man das gegenwärtige System in
       Anlehnung an den 2009 verstorbenem Ökonomen Jörg Huffschmid nennen könnte,
       bliebe der Kapitalismus weiterhin Kapitalismus.
       
       Und der sorgt für soziale Risse in der Gesellschaft, betreibt Raubbau an
       endlichen Ressourcen, entfremdet die Menschen. Es sind deshalb die Eliten
       in Politik und Wirtschaft selbst, die mit dem garstigen Feindbild der
       Boni-Banker und Investmentzocker einen Popanz aufblasen, hinter dem sich
       der „wahre“ Kapitalismus verstecken lässt.
       
       Aber muss nicht trotzdem etwas geschehen? Mitten in der großen Krise kann
       es allein darum gehen, das Schlimmste zu verhindern. Eurorettungsschirme
       und die Billionenflut aus der Europäischen Zentralbank, mit der das
       Bankgeschäft notdürftig in Fluss gehalten wird, müssen als notwendiges,
       wenngleich unwägbares Übel in Kauf genommen werden. Trotz sozialer
       Kollateralschäden und obwohl weiterhin die Realwirtschaft nur unerträglich
       langsam wieder in Gang kommt.
       
       Wenn wir über den gegenwärtigen Krisenhorizont hinwegschauen könnten, würde
       manche aktuelle Diskussion als aufgeblasen und übergewichtig erkennbar
       werden. Zum Beispiel der Streit über die Finanztransaktionssteuer, die,
       würde sie denn tatsächlich irgendwann einmal eingeführt, angesichts des
       globalen Geldüberflusses nur eine regulatorische „Peanut“ ist. Besser wäre
       es, den irrsinnigen „realen“ Reichtum zu zähmen, der die Finanzakteure zu
       immer neuen Spekulationsexzessen antreibt.
       
       Über das eigentlich Wichtige dabei wird hierzulande kaum gesprochen: Nicht
       die Werkzeuge sind entscheidend, sondern wie sie eingesetzt werden. Um sich
       zu verzocken, das lehrt die große Krise, bedarf es nicht „hochspekulativer“
       Derivate. Verzocken können sich Finanzmarktakteure auch mit klassischen
       Krediten oder mit einer der sichersten Geldanlagen überhaupt: mit
       Immobilien.
       
       ## Gefährliche Global Player
       
       Je nachdem welche Quelle man zugrunde legt, werden die Weltfinanzmärkte von
       zwei bis drei Dutzend Global Players dominiert. Und diese sind es auch, von
       denen die Gefahren ausgehen. Deshalb führt an einer Deckelung der Risiken
       („Basel III“), aber auch an einer Deckelung der absoluten Größe einer Bank
       kein Weg vorbei.
       
       Regierungen und Parlamente könnten einen bestimmen Hebelsatz benennen, mit
       dem festgelegt wird, wie viel Geschäfte Banken mit wie viel Eigenkapital
       machen dürfen.
       
       Für einen wirklich „demokratischen Markt“ reicht das allerdings noch nicht.
       Dafür müssten reine Finanzanlagen zugunsten von Investitionen in die
       Realwirtschaft diskriminiert, Schattenbanken ins Licht neuer Bankregeln
       gestellt und viele weitere Regelungen getroffen werden. Und am Ende bliebe
       auch solch ein demokratischer Markt eines: Kapitalismus.
       
       Doch auch ein illusionsloser Reformprozess müsste die Systemrelevanz von
       Kreditinstituten zu seinem Dreh- und Angelpunkt machen. Rettet die Masse
       der Banken! Und domestiziert die wenigen wirklich großen Geldriesen, macht
       sie zu „normalen Konzernen“. Damit sie pleitegehen können, ohne die
       Volkswirtschaft zu gefährden.
       
       26 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hermannus Pfeiffer
       
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