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       # taz.de -- Halbfinale der Champions League: Gegen die Wand
       
       > Der FC Chelsea London hat das Halbfinalduell gegen den FC Barcelona
       > insgesamt mit 3:2 gewonnen, aber der Fußball hat verloren. Stimmt das
       > denn überhaupt?
       
   IMG Bild: Der spielentscheidende Moment im Camp Nou: Lionel Messi nagelt Mitte der 2. Halbzeit seinen Elfmeter gegen Chelsea an die Querlatte.
       
       Ja 
       
       Die Champions League ist ein Pokalwettbewerb. Solche sind auch deshalb so
       beliebt, weil es sein kann, dass auch mal ein sogenannter Underdog einen
       Großen des Geschäfts schlägt. So schien es am Dienstag zu sein. Der kleine
       FC Chelsea hat nach einer wackeren Abwehrschlacht den ruhmreichen FC
       Barcelona aus dem Wettbewerb gekickt.
       
       Das wäre eine schöne Pokalgeschichte, wenn das mit Oligarchenmillionen
       gepäppelte Chelsea wirklich ein Fußballzwerg wäre. Die Wahrheit ist: Das
       Team hat nur so gespielt, als wäre es einer. Und das ist keine gute
       Nachricht für die Freunde des Fußballs. Denn Chelsea ist ein Spielverderber
       im wahrsten Sinne des Wortes.
       
       Es ist gewiss nicht schlimm, dass Chelsea nach dem 2:2 von Barcelona und
       dem merkwürdigen 1:0 von London zuvor nun im Finale steht. Für
       unansehnlichen Maurerfußball sehen die Regeln auch keine Bestrafung vor.
       Aber fragen darf man sich schon, ob so ein Hinterhergelaufe wirklich die
       Millionen wert ist, die in den Klub investiert worden sind.
       
       ## Irgendwie schrecklich
       
       Klar haben sich Didier Drogba, Frank Lampard und Kollegen diebisch gefreut
       über den Einzug ins Finale. Aber auch für sie muss es irgendwie schrecklich
       gewesen sein, als Ziegel in eine Mauer gemörtelt worden zu sein und nicht
       zeigen zu dürfen, dass sie Fußball spielen können. Wo ist der Trainer, der
       für diese großartigen Kicker ein System ersinnt, dessen Ziel es ist, das
       Spiel zu machen, nicht es zu zerstören? Er würde dem Fußball einen großen
       Dienst erweisen.
       
       Ja, auch im Fußball ist Verteidigung durchaus eine Kunst, manchmal - wie am
       Dienstag - eine Kampfkunst. Wer diese Kunst beherrscht, gewinnt nicht
       selten Titel. Doch es sind hässliche Siege - das wissen auch die Fans. Die
       großen Zerstörer werden von ihnen zwar geschätzt, als große Fußballer indes
       werden nur die verehrt, die das Spiel machen können.
       
       Das Sicherheitsdenken der Trainer zerstört auf Dauer den Sport. Das regiert
       in den großen Wettbewerben längst. Die WM 2006, bei der erstmals fast alle
       Teams mit zwei Zerstörern im Mittelfeld agiert haben, ist als mieses
       Turnier in die Geschichte eingegangen. Zu Recht.
       
       ## Den Kickern erlauben, das Spiel zu machen
       
       Es sind die Klubs wie der FC Barcelona und auf nationaler Ebene Borussia
       Dortmund, die den Fußball am Leben erhalten, weil sie ihren Kickern
       erlauben, das Spiel zu machen. Auch Lionel Messi kann nur glänzen, wenn er
       darf. Als Außenverteidiger, wie ihn Drogba in Barcelona bisweilen spielen
       musste, mag man ihn sich nicht vorstellen.
       
       Es ist nicht ungerecht, dass der FC Chelsea im Finale spielen darf. Das
       Ergebnis zählt. Aber warum sollte man sich nicht ärgern dürfen, wenn die
       Mannschaft weiterkommt, die sich dem Fußballspiel verweigert, die schon vor
       dem Anpfiff selbst feststellt, dass sie die viel schlechtere ist, und genau
       das dann auf dem Platz unter Beweis stellt? Chelsea ist weiter - es lebe
       der FC Barcelona! (arue) 
       
       Nein 
       
       Sie sind die Hohepriester der Effektivität. Die ebenso wackeren wie
       rüstigen Spieler des FC Chelsea, die völlig verdient ins Finale der
       Champions League eingezogen sind, hatten zwar nur 18 Prozent Ballbesitz,
       aber die reichten ihnen, um Barça fertigzumachen. 18 Prozent Ballbesitz,
       das entspricht bei einer effektiven Spielzeit von ca. 55 Minuten nicht mal
       10 Minuten Ballbesitz.
       
       Macht in der Endabrechnung vom Dienstag 5 Minuten Ballbesitz pro Tor. Das
       sind Werte, die das Herz eines Trainers höherschlagen lassen. Sollen sich
       die Ballzirkulatoren vom FC Barcelona doch schwindlig passen, die Blues
       kontern zweimal, und schon haben sie das Ding im Sack.
       
       Wo andere sich dumm und dusslig spielen, da errichtet der FC Chelski des
       Herrn Abramowitsch in guter alter Ostblocktradition eine Mauer. Meterdick
       und betonhart. Wo steht denn geschrieben, man müsse schön spielend zum
       Erfolg kommen? In einem Spiel, das keine B-Note für die künstlerische
       Leistung wie beim Eiskunstlauf kennt, zählt nur das nackte Ergebnis.
       
       ## Kein verbrieftes Recht auf das Finale
       
       Es gibt kein verbrieftes Recht für ein katalanisches Team, im Finale der
       Champions zu stehen. Sie mögen begnadete Fußballer haben, aber die Pille
       30-mal in der Luft halten, das können auch Didier Drogba und Frank Lampard.
       Der FC Chelsea, und das allein kann man ihm vorwerfen, ist ein Plagiator.
       
       Er hat von einem Spiel abgekupfert, das 2010 stattfand: Barça gegen Inter
       Mailand, Halbfinale der Champions League. Hier musste Inter auch früh mit
       einem Mann weniger auskommen. Barça hatte damals sogar 86 Prozent
       Ballbesitz. Und nun raten Sie mal, wer weitergekommen ist.
       
       Richtig, Inter. José Mourinho hat die Barça-Besieger-Taktik erfunden, und
       Chelsea-Coach Roberto di Matteo hat sie jetzt verfeinert. Das Antidot, also
       das Gegengift gegen die Dominanz des FC Barcelona heißt Mauern - im besten
       Sinne des Wortes. Diese Taktik ist verdammt mutig, denn man erntet die
       denkbar schlechteste Presse dafür.
       
       ## Rehhagels Griechen
       
       Die Chelsea-Helden werden jetzt angefeindet wegen ihres Defensivverhaltens.
       Sie hätten den kreativen Kick abgewürgt, seien als Spielverderber
       aufgetreten, als Barça-Basher. Aber wer solche Vorwürfe erhebt, hat nichts
       vom Fußball verstanden. Denn dieses Spiel, das nur vom Ergebnis lebt, kennt
       keine unmittelbare Moral oder Gerechtigkeit. Wären sonst die Griechen unter
       Rehhagel Europameister geworden? Eben.
       
       Man kann die Rentnergang des FC Chelsea ( 29 Jahre) gar nicht genug loben
       für ihren Coup, denn das Team war von allen Experten und denen, die sich
       dafür halten, abgeschrieben worden. Aber die alten Säcke haben noch
       Ambitionen. Das kennt man aus dem Jahr 2007, als die Gerontokicker des AC
       Milan noch mal den Pott geholt haben. Sie taten es routiniert und
       abgezockt. So wie Chelsea gegen das angeblich beste Team der Welt. Von
       wegen. (mv)
       
       25 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR A. Rüttenauer
   DIR M. Völker
       
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