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       # taz.de -- Kolumne Pressschlag: Kampfansage an die Fankultur
       
       > Die Aussperrung Rostocker Fans wirft die Frage auf, ob brisante Derbys
       > noch durchführbar sind. Steht die Stimmung in den Stadien zugunsten der
       > Sicherheit auf dem Spiel?
       
   IMG Bild: Am Sonntag (13.30 Uhr) steigt das „Hochrisikospiel“ zwischen dem FC St. Pauli und Hansa Rostock. Die Rostocker Fans müssen dann draußen blieben.
       
       Ein Spiel zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Hansa Rostock ist ein
       „spezieller, hochriskanter Einzelfall“. Das hat das Hamburger
       Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der
       Aussperrung von Rostocker Fans vom Spiel am Sonntag am Millerntor
       festgestellt.
       
       Zu viel sei in der Vergangenheit passiert. Das klingt so, als müsse man
       sich keine Sorgen machen, dass andere Derbys in nächster Zukunft ebenfalls
       von polizeilichen Sondermaßnahmen betroffen sein könnten. Das Hamburger
       Gericht geht nicht davon aus, dass in naher Zukunft mit einer Häufung von
       Geisterspielen und Fanaussperrungen zu rechnen ist.
       
       Dabei wäre es ein Leichtes, auch dem großen Nordderby zwischen dem
       Hamburger SV und Werder Bremen, dem Duell zwischen Mönchengladbach und Köln
       oder einer Partie zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Kaiserslautern
       ein spezielles Hochrisikopotenzial zu attestieren. Werden behördlich
       angeordnete Fanaussperrungen bald doch zum Alltag in der Liga?
       
       Mit Spannung wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts erwartet, das sich
       nun grundsätzlich mit der Frage befassen wird, ob derartige
       Polizeimaßnahmen zulässig sind und inwieweit ein Veranstalter eines
       Sportereignisses für das haften muss, was im Umfeld seiner Veranstaltung
       passiert. Es geht also auch um die Frage, ob der gastgebende Klub als
       Veranstalter für Störungen haftbar gemacht werden kann, auch wenn diese gar
       nicht von ihm ausgehen, ob er für Kosten, die für die Gefahrenabwehr
       anfallen, aufkommen muss, inwieweit er schadensersatzpflichtig wird, wenn
       etwas passiert.
       
       ## Hochrisikospiel als finanzielles Desaster
       
       „Die Klärung dieser grundsätzlichen Frage in der Tiefe, die aufgrund der
       weitreichenden Folgen für die Verhaltenspflichten und Kostenhaftung des
       Veranstalters eines Fußballspiels geboten ist, kann nur im
       Hauptsacheverfahren erfolgen“, heißt es im Urteil des Verwaltungsgerichts.
       
       Ein so genanntes Hochrisikospiel könnte zum finanziellen Desaster für den
       gastgebenden Klub werden. Deshalb erwarten die Bundesligaklubs die
       Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts durchaus mit Sorge. Doch gemach!
       Es wird schon kein Derby abgesagt werden. Dem organisierten Fußball wird
       schon etwas einfallen, um die Spiele durchführen zu können.
       
       Es wird längst an einer Art Publikumstausch in den Stadien gearbeitet.
       DFB-Präsident Wolfgang Niersbach benutzt ganz bewusst immer wieder das Wort
       Terror, wenn er über Fans spricht, und sieht längst das Ende der
       Stehplatzherrlichkeit in deutschen Stadien nahen. Hannovers Präsident
       Martin Kind spricht davon, dass er die Strafen, die er für Fehlverhalten
       der 96-Fans zahlen muss, dadurch kompensieren will, dass er endlich die
       billigen Stehplatztickets abschaffen will. Über die Ticketpreise sollen
       Ultras und Problemfans von den Stadien ferngehalten werden.
       
       ## Niersbach widerspricht sich selbst
       
       Liga und DFB scheinen zudem eine totale Fankontrolle anzustreben und würden
       gerne mit der Sitzplatznummer Name und Adresse des Sitzplatzinhabers
       speichern. Dass derartige Maßnahmen nicht nur von völligem Unverständnis
       für die Ultra-Bewegung zeugen, sondern eine regelrechte Kampfansage an die
       Fankultur darstellen, scheint Niersbach billigend in Kauf zu nehmen. Immer
       wieder schwärmt er von der Stimmung bei der Männer-WM 2006 und lobt die
       tolle Atmosphäre bei der Frauen-WM 2011.
       
       Letztere mag ein tolles Turnier gewesen sein. Wer aber kreischende Kinder
       in einem schlecht besetzten Stadion der Derbystimmung in einem Spiel der
       Männerbundesliga vorzieht, der hat nicht verstanden, dass Fußball mehr ist
       als ein Ballspiel zweier Teams auf einem begrenzten Rasengeviert.
       
       20 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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