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       # taz.de -- Schauspieler Axel Prahl über Grips-Theater: „Ohne das Grips wäre Berlin armselig“
       
       > Axel Prahl hat lange am Berliner Grips-Theater gespielt. Ihn ärgert, dass
       > Kinder keine so starke Lobby haben wie Opernfans. Deswegen sei das Grips
       > unterfinanziert.
       
   IMG Bild: Axel Prahl und Julia Blankenburg in Volker Ludwigs Jugendstück „Café Mitte“ 1997.
       
       taz: Herr Prahl, Sie waren viele Jahre Schauspieler am Berliner Grips
       Theater. Wie finden Sie es, dass das Theater jetzt ums Überleben kämpfen
       muss? 
       
       Axel Prahl: Das finde ich ziemlich entsetzlich. Volker Ludwig musste solche
       Notlagen ja schon öfter erleben, früher hat der Senat ihm dann meistens mit
       Lottogeldern aus der Bredouille geholfen. Das Grips ist ein Kinder- und
       Jugendtheater, das heißt, man kann nur niedrige Eintrittsgelder von 4 oder
       5 Euro verlangen. Durch die Geldnöte ist das Theater jetzt gezwungen,
       öfter, statt für Kinder, abends für ein erwachsenes Publikum zu spielen,
       einfach weil da die Einnahmen an der Kasse wesentlich höher sind.
       
       Dafür hat Volker Ludwig das Grips Theater vor 43 Jahren nicht gegründet.
       Die Berliner Kulturpolitiker müssen sich überlegen, ob sie dieses
       wunderbare Theater so ausbluten lassen wollen. Das ist Klaus Wowereits
       Verantwortung: Will er, dass die Berliner Kinder weiter ins Grips Theater
       gehen können, oder will er das nicht?
       
       Was muss Ihrer Meinung nach jetzt geschehen? 
       
       Man muss endlich zu einer ausreichenden Finanzierung kommen. Das Grips ist
       chronisch unterfinanziert. Es ist einfach unanständig, wie Berlin mit einem
       Mann wie Volker Ludwig umgeht. Er hat mit dem Grips Theatergeschichte
       geschrieben, und muss jetzt bei den Politikern um Geld betteln. Allein
       durch Mieterhöhungen sind die Kosten des Grips in den letzten Jahren um
       50.000 Euro gestiegen. Natürlich müssen derzeit alle Theater um ihr Geld
       kämpfen und sich anstrengen, wirtschaftlich zu arbeiten. Ich kann auch
       verstehen, dass die Subventionen nicht endlos wachsen können.
       
       Aber angesichts der Millionenetats der großen Opern und Staatstheater, sind
       die 150.000 Euro, die dem Grips fehlen, ein Witz. Es ist unfair, dass das
       Grips gegenüber den Staatstheatern und Opernhäusern so massiv benachteiligt
       wird. Das Grips spielt für Kinder, auch sehr viel für Kinder aus ärmeren
       Verhältnissen. Die haben offenbar in der Kulturpolitik keine so starke
       Lobby wie die Opernfans, und das ärgert mich.
       
       Wie lange waren Sie am Grips Theater? 
       
       Von 1993 bis 1999, schöne Jahre. Ich glaube, die Lieblingsstücke, in denen
       ich mitgespielt habe, waren „Herz eines Boxers“ und „Bella, Boss und
       Bulli“, das waren beides ziemliche Kracher. Schon damals war es ein
       legendäres Haus, weltberühmt seit der „Linie 1“, so viel ich weiß nach
       Brechts „Dreigroschenoper“ eines der weltweit meistgespielten modernen
       deutschen Stücke, übersetzt in 32 Sprachen.
       
       Das Grips Theater war das schönste und beste Theater, an dem ich je
       gearbeitet habe, muss ich ganz ehrlich sagen. Es gibt ein
       Mitbestimmungsrecht des Ensembles, was auch nicht überall
       selbstverständlich ist. Volker Ludwig, der Gründer und Kopf des Theaters,
       ist einfach ein wunderbarer Mensch mit einem sehr feinen Witz. Ich hoffe,
       dass er seinen Humor auch in dieser Krisensituation nicht verliert. Volker
       Ludwig ist ein Visionär, der eine neue, vitale, auch sehr humorvolle Form
       von Kinder- und Jugendtheater geschaffen hat. Er ist jetzt 74 und im Kopf
       jünger als viele 20-Jährige.
       
       Was ich immer toll fand, war das Gefühl, dass man am Grips
       emanzipatorisches Kinder- und Jugendtheater macht, das mit der Gegenwart,
       mit der Wirklichkeit, in der wir leben, zu tun hat. Normalerweise wird am
       Stadttheater für Kinder einmal im Jahr ein Weihnachtsmärchen aufgeführt,
       das Grips interessiert sich das ganze Jahr für die Probleme von Kindern und
       Jugendlichen.
       
       Die Frage, ob man da als Schauspieler etwas sinnvolles macht, war mit jeder
       Aufführung aufs Schönste beantwortet. Es würde mir wirklich das Herz
       brechen, wenn das Grips von der Politik so lieblos im Stich gelassen werden
       würde, wir es im Augenblick den Anschein hat. Andere Berliner Intendanten
       haben sich im alten Westberlin mit riesigen Abfindungen bereichert, Volker
       Ludwig war immer integer. Er hat es einfach nicht verdient, jetzt von der
       Politik so respektlos behandelt zu werden.
       
       Früher demonstrierten Grips-Fans beim Theatertreffen für höhere
       Subventionen für das Grips. Wie können die Freunde des Grips Theaters jetzt
       für ihr Theater kämpfen? 
       
       Da ist guter Rat teuer. Es gab ja offenbar auch schon viele Leute, die dem
       Grips Geld spenden wollten, was aber offenbar rechtlich kompliziert ist.
       Vielleicht sollte Klaus Wowereit begreifen, was für eine Kostbarkeit dieses
       Theater ist. Ohne das Grips wäre Berlin nicht mehr arm, aber sexy, sondern
       nur noch armselig.
       
       20 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Laudenbach
       
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