# taz.de -- Folgen der Finanzkrise: Spanien spart sich Bildung
> Mit Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitswesen will die spanische
> Regierung sparen. Kritiker sprechen von „gesellschaftlichem Selbstmord“.
IMG Bild: Auch in Spanien ist es für protestierende Studierende üblich, die Bildung zu Grabe zu tragen – nun besorgt das die Regierung gleich mit.
MADRID taz | Trotz eines rigiden Sparhaushalts schauen die Finanzmärkte
weiterhin mit Skepsis auf Spanien. Denn die Wirtschaft des Landes kommt
durch die Sparpolitik völlig zum Erliegen. Das Land rutscht zum zweiten Mal
in drei Jahren in die Rezession, die Arbeitslosigkeit wird bis zum
Jahresende bei 6 Millionen liegen.
Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen stiegen Anfang der Woche auf über
6 Prozent. Als Antwort erlässt Ministerpräsident Mariano Rajoy von der
konservativen Volkspartei (PP) neue Kürzungen – dieses Mal im Gesundheits-
und Bildungswesen.
Insgesamt sollen weitere 10 Milliarden Euro eingespart werden. Die
Regierung in Madrid gibt dabei nur den gesetzlichen Rahmen vor. Umsetzen
müssen die Sparmaßnahmen die autonomen Regionen. Gesundheit und Bildung
sind ihre Sache.
## Kreuzzug gegen das Schulsystem
Das Bildungsministerium gibt Pläne vor, die zur Einsparung von 3 Milliarden
Euro in Grund- und Oberschulen führen sollen. Um Lehrerstellen zu
streichen, werden Klassenstärken angehoben, außerdem müssen die Lehrer mehr
unterrichten. Die Qualität des Unterrichts soll das „nicht wesentlich
beeinträchtigen“, verspricht Bildungsminister José Ignacio Wert.
Schüler- und Lehrergewerkschaften sowie Elternverbände befürchten einen
Kreuzzug gegen das öffentliche Schulsystem. Denn in mehreren von den
Konservativen regierten Regionen wurden staatlich subventionierte
Privatschulen – meist im Besitz religiöser Orden – von den bisherigen
Kürzungen ausgenommen.
## 25 Prozent ohne Abschluss
„Wir fallen um 20 Jahre zurück“, kritisiert José Campos, Chef der größten
Gewerkschaft im Bildungsbereich, CCOO. Er fürchtet um 80.000 der 500.000
Lehrerstellen. Elternverbände sprechen von einem „gesellschaftlichen
Selbstmord“. Bereits heute beenden 25 Prozent der Schüler die
Pflichtschuljahre ohne Abschluss. Sie haben keine Zukunft bei einer
Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent.
Es seien „Maßnahmen, die zu ergreifen niemandem gefällt, aber sie sind
unumgänglich“, verteidigt Mariano Rajoy seine Politik. Auch im
Gesundheitswesen sind weitere Einsparungen geplant: So sollen die Spanier
künftig die Hälfte der Medikamentenkosten selbst tragen. Besserverdienende
sollen 60 Prozent beisteuern. Rentner werden mit 10 Prozent zur Kasse
gebeten. Das würde 3,4 Millionen Euro einsparen.
Wo die verbleibenden 2,6 Milliarden gekürzt werden sollen, um das
10-Milliarden-Paket vollzumachen, steht noch nicht fest. Allerdings
kündigte Bildungsminister Wert eine Hochschulreform an. Er wird wohl die
Studiengebühren erhöhen, Professorenstellen streichen und Studiengänge, für
die sich keine Mindestzahl von Studenten findet, ganz streichen.
18 Apr 2012
## AUTOREN
DIR Reiner Wandler
## TAGS
DIR Privatschule
DIR Schwerpunkt Occupy-Bewegung
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