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       # taz.de -- Breivik-Debatte im Netz: Rassistischer Wahnsinn in einer Person
       
       > Der Breivik-Prozess erregt die Gemüter: Bilder zeigen oder nicht?
       > Berichten oder ignorieren? Auch im Netz gehen die Meinungen weit
       > auseinander.
       
   IMG Bild: Wenigstens ein Bild zeigt das, was fast jeder gerne sieht: Breivik in Handschellen.
       
       BERLIN taz | Ausgerechnet der Boulevard geht mit pragmatischen Ansätzen
       voran: Leser der norwegischen Zeitung Dagbladet, die weder das Gesicht
       Breiviks noch dessen Namen oder irgendwelche Details über den Prozess in
       Oslo zur Kenntnis nehmen wollen, [1][können online alles rund um den
       Massenmörder per Knopfdruck einfach ausblenden.] Sie landen dann in einer
       breivikfreien Ausgabe.
       
       Seit Tagen hält der Streit darüber an, inwieweit Medien, Blogger und
       Netznutzer dazu beitragen, das heroische Selbstbild Anders Behring Breiviks
       zu bestätigen, indem sie ihn zeigen und über ihn berichten. Die Spanne der
       Meinungen reicht von der Aufforderung, auf eine Berichterstattung komplett
       zu verzichten, bis zum Ruf nach noch mehr Details, um so ein Maximum an
       Aufklärung zu erreichen.
       
       Das spiegelt sich auch in den Leserkommentaren der Online-Seiten diverser
       deutscher Medien wider. Egal ob [2][Tagesschau.de], [3][Zeit-Online] oder
       [4][taz.de] – jeder neue Bericht und jeder neue redaktionelle Kommentar
       ruft widersprüchliche Reaktionen hervor. In Blogs und Online-Netzwerken
       sieht es kaum anders aus.
       
       [5][Blogger Sebastian Fellner meint:] „Selten haben Medien so
       offensichtlich versagt wie bei der Berichterstattung über den
       rechtsextremen Attentäter von Norwegen. Breivik spielt ein perfides Spiel –
       das Zeitungen und Rundfunksender gerne mitspielen.“ Er wünscht sich
       stattdessen: „Gebt mir Bescheid, wenn es ein Urteil gibt. Bringt
       meinetwegen eine Meldung, wenn ein Zeuge oder eine Zeugin etwas bisher
       Unbekanntes aussagt. Aber füttert Breivik nicht mit der Aufmerksamkeit, die
       er sich wünscht.“
       
       ## Muss wirklich alles raus?
       
       Das Antifaschistische Dokumentationsarchiv ist [6][hin- und hergerissen
       zwischen Abscheu und Aufklärung:] „Und dann wabert dieses schreckliche
       Gefühl durch den Raum: Dass Bano Rashid, Gunnar Linaker, Ismail Haji Ahmed
       und die anderen 74 Opfer in Oslo und auf Utøya sterben mussten, weil
       Breivik eine Bühne brauchte. Weil er der ganzen Welt seinen vergorenen
       Gedankenbrei servieren will, übertragen in die ganze Welt, von Hunderten
       Journalisten in die Laptops gehackt und in Zeitungen und auf Webseiten
       gesetzt.“
       
       Daniel Bennett hält seine Meinung im free speech blog zurück und
       [7][analysiert lieber] „die Ethik des Twitterns über Breivik“ inklusive
       hilfreicher Links auf Prozess-Berichterstatter, die auch Twitter nutzen –
       zum Beispiel [8][Paul Brannan (Al Jazeera)] und [9][Helen Pidd (Guardian)].
       Indes gefällt vor allem die Live-Twitterei der BBC aus Oslo [10][nicht
       jedem.] 
       
       Nur ein paar Klicks weiter findet sich auf Twitter immer noch der
       [11][Account Breiviks] mit 3.595 Followern und exakt einem Tweet – in dem
       er auf sein Manifest hinweist. Der Link führt mittlerweile ins Leere. Sein
       Profil auf Facebook ist nicht mehr vorhanden, dafür aber zig Gruppen, die
       [12][ihren Hass auf Breivik] zum Ausdruck bringen. Doch nur auf den
       wenigsten findet eine Auseinandersetzung mit dem Prozess und dem Amoklauf
       statt, die über wüste Beschimpfungen hinausgeht.
       
       ## Test für den Rechtsstaat
       
       In den ScienceBlogs löst sich Ali Arbia [13][in einem lesenswerten Beitrag]
       vom Fall Breivik und wendet sich der Frage zu, „was ein solcher Fall für
       den Rechtsstaat bedeutet und über unser Rechtsverständnis aussagt“.
       
       [14][Patrick Breitenbach] beginnt beim „Dilemma der Medien“ und kommt von
       dort aus auf die „Mündigkeit des Rezipienten“ zu sprechen: „Nicht mehr ‚die
       Medien‘ sind Schuld, wenn wir mit Breivik eine neue Ikone des Bösen
       inklusive potenzieller Nachahmungstäter erschaffen, sondern allein wir
       selbst, denn zum ersten mal haben wir uns memetisch emanzipiert, d.h. wir
       können uns dem Einfluss eines Themas komplett entziehen. Daneben obliegt
       uns aber eben auch die Verpflichtung gewisse Themen nicht einfach so
       auszublenden. Wir müssen uns selbst aktiv um die Themen bemühen.“
       
       ## Wenn alles vorbei ist
       
       Der Politblogger [15][freut sich schon auf andere Tage:] „Der Tag wird
       kommen. Der Tag, an dem das Urteil über Anders Behring Breivik gesprochen
       wird. Anschließend wird man ihn wegsperren. Entweder ins Gefängnis oder in
       die Psychiatrie. Er wird nie mehr im Mittelpunkt des Interesses stehen. Er
       wird sich nie mehr öffentlich aufblasen dürfen.“
       
       Pro Asyl [16][missfällt ein anderer Aspekt]: „Ist einer, der versucht,
       allen rassistischen Wahnsinn dieser Welt in seiner Person zu bündeln,
       wirklich nur ein irrer Einzeltäter? #breivik.“ Womöglich ist es genau
       dieser Aspekt, an dem man im Nachhinein wird beurteilen können, ob die
       Berichterstattung über den Prozess in Oslo gelungen ist oder nicht.
       
       Werden die meisten Medien die rechtsextreme Ideologie, die aus dem Täter
       spricht, erkennen oder bleibt es bei der Darstellung eines „Spektakels“
       rund um den „Irren von Utoya“?
       
       18 Apr 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.dagbladet.no/
   DIR [2] http://www.tagesschau.de/ausland/breivik194.html
   DIR [3] http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-04/breivik-berichterstattung-kommentar
   DIR [4] /Kommentar-Prozess-Breivik/!91688/
   DIR [5] http://deranderefellner.wordpress.com/2012/04/16/wie-medien-breiviks-spiel-mitspielen/
   DIR [6] http://dokmz.wordpress.com/2012/04/18/anders-behring-breivik-massacre-trial-resumes-in-oslo-auchlife-ticker/
   DIR [7] http://blog.indexoncensorship.org/2012/04/18/the-ethics-of-tweeting-breivik/
   DIR [8] http://twitter.com/#!/paulrbrennan/status/192240305624453120
   DIR [9] http://twitter.com/#!/helenpidd/status/192171443696574464
   DIR [10] http://twitter.com/#!/Frl_Bruenett/status/192535296921964545/photo/1
   DIR [11] http://twitter.com/#!/AndersBBreivik
   DIR [12] http://www.facebook.com/search/results.php?q=anders%20breivik&init=quick&tas=0.10753761507614057
   DIR [13] http://www.scienceblogs.de/zoonpolitikon/2012/04/der-fall-breivik-als-test-fur-den-rechtstaat.php
   DIR [14] http://blog.karlshochschule.de/2012/04/16/der-breivik-prozess-das-dilemma-der-medien-und-der-schutz-der-filter-bubble/
   DIR [15] http://www.politblogger.eu/was-von-breivik-ubrig-bleiben-wird/
   DIR [16] http://twitter.com/#!/ProAsyl/status/192549407852462080
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Maik Söhler
       
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   DIR Anders Breivik
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