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       # taz.de -- Kritik am ESC in Aserbaidschan wird lauter: In Tragödien verstrickt
       
       > Die Austragung des Eurovision Song Contest in Aserbaidschan bleibt höchst
       > umstritten. Doch die verantwortliche European Broadcasting Union reagiert
       > nicht.
       
   IMG Bild: Für die Meinungs- und Reisefreiheit brennt die Regierung in Baku nicht so wie für den ESC.
       
       BERLIN taz | Knapp sechs Wochen vor dem Eurovision Song Contest in
       Aserbaidschan mehrt sich die Kritik zur Menschenrechtslage des Landes. Bei
       einer Pressekonferenz in Berlin verwies am Dienstag der Bundesbeauftragte
       für Menschenrechte, Markus Löning (FDP), auf Entscheidungen des
       Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, die bislang nicht umgesetzt worden
       seien.
       
       Aserbaidschan hatte im vorigen Jahr den Eurovision Song Contest in
       Düsseldorf gewonnen – und damit die prestigeträchtige Lizenz zum Ausrichten
       des ESC erworben. „Damit rückt Aserbaidschan näher denn je an Europa
       heran“, teilte die staatsnahe TV-Gesellschaft Ictimai in Baku mit. Seit
       2008 ist dieses Land beim ESC dabei – es tat alles, um ihn zu gewinnen.
       
       Doch erst nach dem Sieg von Ell & Nikki mit dem Lied „Running Scared“ in
       Düsseldorf kam es zu Forderungen von Menschenrechtsorganisationen nach
       einem Boykott des ESC. Als der europäische Popsong-Wettbewerb 2009 in
       Moskau zelebriert wurde, gab es noch keinerlei Proteste, weder in Medien
       noch durch humanitär orientierte NGOs.
       
       Die European Broadcasting Union (EBU) mit Sitz in Genf zeichnet
       verantwortlich für das Pop-Event, das jährlich mehr als 120 Millionen
       Menschen aus knapp 50 Ländern vor den Fernseher lockt. Sie hat angekündigt,
       sich jeder politischen Einmischung in die Angelegenheiten Aserbaidschans zu
       enthalten. EBU-Präsident Jean-Paul Philippot sagte in der belgischen
       Zeitung Le Soir: „In der Vergangenheit hat der Wettbewerb die Bühne für
       Israelis wie Araber freigehalten, für Zyprioten und Türken, Serben und
       Kroaten. Länder, die sich in Tragödien verstrickten – aber an einem Abend
       miteinander auskommen mussten.“
       
       ## Offenere Grenzen
       
       In Wirklichkeit hat die EBU bereits vor Monaten heftig insistiert, die
       Grenzen zum Contest offener zu gestalten. Die harten Visabestimmungen im
       Land sind gelockert worden. Auch formulierte die Regierung in Baku in einer
       offiziellen Erklärung die Garantie, dass alle Gäste unbehelligt bleiben und
       geschützt würden – und ebenso die europäischen Standards der Meinungs- und
       Demonstrationsfreiheit geachtet würden.
       
       Die EBU hingegen, die so tut, als existierten in diesem Winkel Europas
       keine Probleme des demokratischen Miteinanders, teilte mit, dass es auf der
       Bühne der Crystal Hall in Baku allen ESC-Acts verboten sei, sich politisch
       zu artikulieren – nicht jedoch außerhalb der Arena. Jeder Künstler, jede
       Künstlerin kann sich am alternativen Showabend unter dem Titel „Singing for
       Democracy“ beteiligen.
       
       Die deutsche Delegation in den Entscheidungszirkeln des ESC gab zu
       verstehen, dass man, falls etwa Weißrussland gewinnen sollte, anregen
       werde, auf eine Teilnahme in Minsk zu verzichten. In der EBU gibt es keine
       Debatten, ob man diktatorische oder autokratisch geführte Regimes künftig
       vom Contest ausschließen will.
       
       17 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Feddersen
   DIR Jan Feddersen
       
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