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       # taz.de -- Anti-Piraterie-Abkommen: Acta vor dem Aus
       
       > Der sozialdemokratische Berichterstatter im EU-Parlament spricht sich
       > erstmals klar gegen das Anti-Piraterie-Abkommen aus. Nun wackeln selbst
       > die Konservativen.
       
   IMG Bild: Wer zuletzt lacht, lacht am besten: Teilnehmerin einer Anti-Acta-Demonstration im Januar in Frankfurt am Main.
       
       BRÜSSEL taz | Das umstrittene Anti-Piraterie-Abkommen Acta steht praktisch
       vor dem Aus. Nach den Grünen und der Linken im Europäischen Parlament hat
       sich nun auch die sozialdemokratische EU-Fraktion offiziell gegen den
       internationalen Vertrag ausgesprochen. „Acta ist nicht das richtige
       Instrument, das Urheberrecht im Internet zu regeln“, erklärte der
       Vorsitzende der europäischen sozialdemokratischen Partei, Sergei Stanishev,
       in Brüssel. „Ich empfehle dem Parlament, das Abkommen abzulehnen.“
       
       Auch der zuständige Berichterstatter des EU-Parlaments, der britische
       Sozialdemokrat David Martin, kündigte an, in seinem Bericht ein negatives
       Votum zu empfehlen. Er hatte bisher noch darüber nachgedacht, die Prüfung
       des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten oder eine eigene Anfrage an die
       Luxemburger EU-Richter zu stellen.
       
       Ohne die Zustimmung der EU-Abgeordneten kann das Abkommen nicht in Kraft
       treten. „Mit der Erklärung der Sozialdemokraten ist Acta praktisch tot“,
       sagte der grüne Europa-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht. Das Parlament muss
       der Empfehlung des Berichterstatters zwar nicht folgen, aber Albrecht
       erwartet eine eindeutige Mehrheit gegen Acta im Plenum. „Nur bei den
       Liberalen und bei den Konservativen gibt es überhaupt noch Fürsprecher, und
       auch die werden immer weniger.“
       
       ## „Nicht unbedingt durchkloppen“
       
       Auch aus konservativen Kreisen hieß es nun, man wolle das Abkommen nicht
       mit Händen und Füßen verteidigen, sollten es die anderen Fraktionen
       ablehnen. Daniel Caspary, der für die CDU/CSU das Dossier im Europäischen
       Parlament betreut, will zwar eine „ergebnisoffene“ Prüfung durch das
       Parlament abwarten. „Aber wir wollen Acta nicht unbedingt durchkloppen. Es
       gibt noch immer eine Menge Bedenken, und wir als Kontrollorgan können da
       nicht einfach Ja sagen.“
       
       Erst recht nicht, so Caspary, wenn einige Staaten – darunter auch
       Deutschland – ihre Zustimmung auf Eis legen und die Europäische Kommission,
       die Acta bisher immer verteidigt hatte, es vom Europäischen Gerichtshof
       überprüfen lässt. In den vergangenen Monaten hat das Abkommen zu massiven
       Protesten in mehreren EU-Mitgliedsstaaten geführt. Kritiker befürchten,
       dass Acta die Freiheit der Nutzer im Internet einschränken könnte.
       
       Daniel Caspary setzt sich dafür ein, den zuständigen Ausschüssen im
       Europäischen Parlament dennoch genügend Zeit einzuräumen, ihre
       Stellungnahmen abzugeben. Ende Mai soll nach dem bisherigen Zeitplan der
       federführende Ausschuss „Internationaler Handel“ abstimmen, bevor das
       Dossier dann im Juni ins Plenum geht. „Wenn wir Acta ablehnen, sollten wir
       der EU-Kommission genau sagen, warum, und ihr auch Alternativvorschläge
       machen“, sagt Caspary. „Dafür brauchen wir Zeit.“
       
       Die Sozialdemokraten berichteten in Brüssel unterdessen, dass auch auf
       G-8-Ebene, wo Acta einst ausgehandelt worden war, mittlerweile mit dem Aus
       des Abkommens gerechnet wird. Sergei Stanishev sagte, es seien bereits
       Arbeitsgruppen gebildet worden, die sich mit einem Plan B für
       Alternativ-Abkommen beschäftigen sollen.
       
       15 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ruth Reichstein
       
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