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       # taz.de -- Gespräche zum Atomprogramm: Iran will offenbar deeskalieren
       
       > Teheran wird voraussichtlich dem UNO-Sicherheitsrat einen Vierstufenplan
       > vorstellen. Atomare Technologie zu zivilen Zwecken will Iran weiterhin
       > nutzen.
       
   IMG Bild: Jetzt mal anders? Mahmud Ahmadinedschad 2007 auf einer Konferenz zur nuklearen Uran-Anreicherung.
       
       GENF taz | Nach 14-monatiger Unterbrechung finden am Samstag erstmals
       wieder internationale Gespräche über Irans Atomprogramm statt. In Istanbul
       trifft der iranische Chefunterhändler Said Dschalili mit
       Regierungsvertretern der sogenannten P5+1 – die fünf ständigen Mitglieder
       des UNO-Sicherheitsrates plus Deutschland – zusammen.
       
       Insbesondere westliche Regierungen verdächtigen Teheran, unter dem
       Deckmantel seines zivilen Nuklearprogramms die verbotene Entwicklung von
       Atomwaffen zu betreiben. Vor dem Treffen hatte Dschalili „neue Initiativen“
       der iranischen Seite zur Deeskalation und Lösung des Streits um das
       iranische Atomprogramm angekündigt.
       
       Nach Informationen der taz wird Dschalili in Istanbul zwar weiterhin auf
       dem „Recht“ Irans zur „uneingeschränkten Nutzung“ der atomaren Technologie
       zu zivilen Zwecken bestehen. Daher will er die 2005 ursprünglich nur von
       der EU und den USA erhobene, inzwischen aber von Sanktionen des
       UNO-Sicherheitsrates untermauerte Forderung nach vollständiger Einstellung
       jeglicher Urananreicherung auf iranischem Boden ablehnen.
       
       Zugleich wird Dschalili seinen Gesprächspartneren einen Plan vorlegen, mit
       dem der Iran ein schrittweises Entgegenkommen mit Blick auf die
       Urananreicherung sowie die strengere Überwachung seiner Atomanlagen durch
       die IAEA signalisiert. Als Antwortet darauf sieht der Plan eine
       schrittweise Suspendierung (vorläufigen Aussetzung) und schließlich
       endgültige Aufhebung aller gegen Iran verhängten Sanktionen vor.
       
       Für Beobachter des Konflikts käme ein entsprechender Vorschlag Teherans
       nicht völlig überraschend. Bereits das Treffen in Istanbul wurde überhaupt
       erst möglich, nachdem Teheran in einem Schreiben an EU-Außenkommissarin
       Ashton auf bestimmte Vorbedingungen verzichtet hatte. Diplomaten der USA
       und der EU zeigen sich überzeugt, dass eine erhöhte Kompromissbereitschaft
       Teherans die Folge der seit Herbst vergangenen Jahres von Washington und
       Brüssel verhängten Sanktionen gegen Iran wäre.
       
       Im Detail sieht der Vierphasenplan von Unterhändler Dschalili folgende
       Schritte vor:
       
       Erste Phase: Iran begrenzt sein Programm zur Anreicherung von Uran. Die –
       lediglich für medizinische Zwecke erforderliche – Anreicherung auf 20
       Prozent in einem Teheraner Forschungsreaktor wird eingestellt.
       (Ausreichende Mengen von auf 20 Prozent angereichertem Uran ließen sich
       relativ schnell weiter auf den für Atomwaffen erforderlichen Grad von 90
       Prozent anreichern. Anmerkung der Redaktion).
       
       Iran betreibt nur noch die zur Herstellung nuklearer Brennstäbe für
       Atomkraftwerke erforderliche Anreicherung auf maximal 5 Prozent. Im
       Gegenzug stellen die Staaten der P5+1 Iran Brennstäbe für den Teheraner
       Forschungsreaktor zur Verfügung. Die USA und die EU suspendieren ihre
       unilateralen Sanktionen gegen die iranische Ölindustrie und die
       Zentralbank.
       
       Zweite Phase: Iran setzt ein Zusatzprotokoll sowie eine
       Ergänzungsvereinbarung zum Atomwaffensperrvertrag in die Praxis um, die von
       Teheran bislang zwar unterzeichnet, aber noch nicht völkerrechtlich
       verbindlich ratifiziert wurden. Damit erhielten die Inspekteure der
       Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) einen deutlich verbesserten
       Zugang zu den iranischen Atomanlagen.
       
       Zudem beantwortet Teheran alle noch ausstehenden Fragen der IAEA zum
       iranischen Atomprogramm. Im Gegenzug erkennen die P5+1-Staaten ausdrücklich
       Irans Rechte unter dem Atomwaffensperrvertrag an (inklusive des Rechts auf
       Urananreicherung zu zivilen, friedlichen Zwecken) und suspendieren die vom
       UNO-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen gegen Iran.
       
       Dritte Phase: Iran beschränkt sein Programm zur Urananreicherung auf heute
       bereits bestehende und von der IAEA kontrollierte Anlagen und erlaubt den
       IAEA-Inspekteuren die uneingeschränkte Überwachung aller für die
       Urananreicherung eingesetzten Zentrifugen. Für eine vorübergehende Phase
       der Vertrauensbildung übergibt Iran alle nuklearen Brennstäbe, die nicht
       aktuell zur Energiegewinnung im bislang einzigen AKW Buschehr benötigt
       werden, ins Ausland unter internationale Kontrolle.
       
       Im Gegenzug suspendiert die Staatengruppe der P5+1 alle unilateralen
       Sanktionen gegen den iranischen Nuklearsektor, kooperiert mit Iran auf dem
       Gebiet der friedlichen Nutzung der nuklearen Technologie und hebt alle
       Sanktionen gegen die iranische Zivilwirtschaft (zum Beispiel den
       Luftfahrtsektor) endgültig auf.
       
       Vierte Phase: Um die dauerhafte Transparenz seines Nuklearprogramms zu
       gewährleisten, ratifiziert Iran das Zusatzprotokoll und die
       Ergänzungsvereinbarung zum Atomwaffensperrvertrag. Außerdem verpflichtet
       Iran sich, keine neuen Anlagen zur Urananreicherung zu bauen, solange die
       IAEA dagegen Bedenken erhebt. Im Gegenzug hebt die Staatengruppe der P5+1
       sämtliche unilateralen und alle UN-Sanktionen gegen Iran endgültig auf.
       
       13 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Zumach
       
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