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       # taz.de -- Wahlkampf in Schleswig-Holstein: Dänen, Friesen und Piraten
       
       > Bei der Landtagswahl ist vieles möglich: große Koalition, Rot-Grün oder
       > Schwarz-Grün. Auch eine Dänenampel mit der friesischen Minderheit könnte
       > klappen.
       
   IMG Bild: Ob Peter Harry Carstensen (CDU) sich nach der Landtagswahl am 6. Mai genau so freuen kann? Vielleicht. Wie auch immer es ausgeht, er zieht sich aus der Politik zurück.
       
       KIEL taz | Während Wolfgang Kubicki versucht, die FDP von Kiel aus zu
       retten, während die Grünen unter Robert Habeck mit der CDU flirten, während
       der SSW, die Partei der dänischen und friesischen Minderheit, erstmals eine
       Regierungsbeteiligung anstrebt und während die SPD unter Ralf Stegner und
       Spitzenkandidat Torsten Albig endlich mal wieder eine Wahl gewinnen will,
       ist Peter Harry Carstensen noch im Osterurlaub.
       
       „Zurzeit keine aktuellen Termine“, vermeldet die Internetseite des
       Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein kurz vor der Landtagswahl.
       
       Am 6. Mai, eine Woche vor Nordrhein-Westfalen, stimmen die Wahlberechtigten
       unter den rund 2,8 Millionen Schleswig-HolsteinerInnen ab, wer das Land
       zwischen den Meeren regieren soll. Vor Kurzem galt diese einzige geplante
       Landtagswahl in diesem Jahr als wichtiger Test für den Bundestag.
       
       Inzwischen hat sie sich eingereiht zwischen die unvorhergesehenen
       Abstimmungen im Saarland und in NRW. So werden die Ergebnisse im Norden die
       Trends der anderen Länder verstärken – oder eben nicht.
       
       ## CDU und SPD liegen derzeit gleichauf
       
       Die Piraten kreuzen auf der Kieler Förde und sind bereit, das Landeshaus zu
       entern. Die Linke, 2009 erstmals ins Parlament eingezogen, wackelt
       unterhalb der Fünfprozenthürde. Die FDP setzt auf den Kubicki-Faktor. Vom
       Abschneiden dieser drei Parteien hängt ab, was nach dem 6. Mai möglich ist.
       
       Zurzeit liegen CDU und SPD fast gleichauf. Denkbar ist Rot-Grün – erklärte
       Lieblingskombination der SPD. Falls es bei den beiden Parteien allein nicht
       reicht, könnte es zur „Dänenampel“ kommen: Rot-Grün plus SSW. Der
       Wählerverband ist als Minderheitenpartei von der Fünfprozentklausel
       ausgenommen und besetzt momentan vier Sitze im Landtag.
       
       Rechnerisch denkbar wäre auch Schwarz-Grün. Eine Zeit lang sprach sogar
       vieles für diese Kombination und CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager ließ
       sich schon mal mit grünem Schal auf Wahlplakaten abbilden. Gleichzeitig
       legten sich die Grünen mit ihrem Spitzenkandidaten Robert Habeck lange
       nicht auf einen Koalitionspartner fest.
       
       Hundertprozentig ausgeschlossen ist Schwarz-Grün immer noch nicht. Aber es
       gab in den vergangenen Wochen vermehrt Aussagen für die rot-grüne Variante.
       
       Die Ära Peter Harry Carstensens begann 2005 mit jenem Politdrama, das die
       taz als „Heide-Mord“ beschrieb: Viermal scheiterte Heide Simonis (SPD) bei
       der Wahl zur Ministerpräsidentin. Es kam zur großen Koalition, deren
       Begleitmusik von fast der ersten Stunde an der Streit zwischen Carstensen
       und dem SPD-Landesvorsitzenden Ralf Stegner war.
       
       Der musste sogar seinen Posten als Innenminister räumen, um die Koalition
       zu retten. 2009 war dennoch alles vorbei: In einem Streit über die Frage,
       wann wer von einer Bonuszahlung an Dirk Jens Nonnenmacher, den Chef der
       maroden HSH-Nordbank, gewusst hat, sah die CDU die Chance, die Koalition so
       platzen zu lassen.
       
       ## CDU und FDP setzen auf Sparprogramm
       
       Die schwarz-gelbe Regierung setzte vor allem aufs Sparen.
       Schleswig-Holstein gab sich als erstes Bundesland eine eigene
       Schuldenbremse und reduzierte die Neuverschuldung durch Einschnitte etwa
       bei sozialen Einrichtungen. Für bundesweites Aufsehen sorgte der Alleingang
       zu einem Glücksspielgesetz, das erstmals Onlinespiele erlaubt. Ein anderes
       Gesetz erlaubt es Banken anderer Bundesländer, in schleswig-holsteinische
       Sparkassen zu investieren.
       
       Eigentlich hätte die Regierung bis 2014 Zeit gehabt. Aber ein Urteil des
       Landesverfassungsgerichts holte die „Koalition des Aufbruchs“ vorzeitig vom
       Spielbrett: Das Gericht stellte fest, dass der jetzige Landtag falsch
       zusammengesetzt und die Mehrheit von FDP und CDU unrechtmäßig ist. Der
       Landtag musste zügig ein neues Gesetz schaffen und in die Neuwahl gehen. Im
       jetzigen Wahlkampf setzt die CDU weiter auf Sparen, während die SPD mit
       Bildung punkten will. Den Ausbau der Windenergie wollen alle Parteien.
       
       Egal wer gewinnt: Peter Harry Carstensen, der Mitte März seinen 65.
       Geburtstag auf Schloss Plön (Eigentum des Brillenkönigs Günther Fielmann)
       feierte, zieht sich aus der Politik zurück. Schon vor Beginn der Osterpause
       sah sein Terminkalender eher beschaulich aus. Den Wahlkampf überlässt er
       dem Pragmatiker Jost de Jager.
       
       12 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geisslinger
       
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