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       # taz.de -- Film „Berlin für Helden“: Bitte lass das Höschen an
       
       > Klaus Lemke liebt es, als Enfant terrible des deutschen Kinos
       > aufzutreten. In "Berlin für Helden" sind die Figuren stets auf der Suche
       > nach der nächsten Nummer.
       
   IMG Bild: Sind ein bisschen müde: die Berlin-Besucher Andreas Bichler und Saralisa Volm in „Berlin für Helden“.
       
       Ein Beziehungskistenfilm vor touristischer Berlin-Kulisse: Anna und ihr
       Exfreund Henning fahren für ein Wochenende in die Hauptstadt, dort
       angekommen, trennen sich ihre Wege. Anna lässt sich in einem dekorativ
       heruntergekommenen Fabrikclub mit Fahrstuhl-Entree vom irren italienischen
       Kunstschlagzeuger Marco Barotti anflirten und verbringt eine
       vergleichsweise ereignisarme Nacht mit ihm.
       
       Am nächsten Morgen ist dann plötzlich die superfrivole Saralisa am Start,
       die Barotti schon gezielter zu motivieren versteht („Bist du schwul?“). Der
       Gegenbeweis wird mit gespielter Heftigkeit am Kleiderständer angetreten. So
       weit, so gebügelt. Schließlich kommt auch noch der planlose Düsseldorfer
       Jungschauspieler Andreas hinzu, der als billiges Alexander-Scheer-Double
       einen Job bei Armin Petras reklamiert. Im Gorki-Theater kichert man
       vermutlich heute noch über das provinzielle Schauspielschüler-Outfit des
       Wahl-Rheinländers.
       
       Andreas ist aber nicht ganz so beschränkt, wie er aussieht. Außerdem kennt
       er Saralisas grenzwertige Bedürftigkeit bereits aus Hamburger Zeiten. Über
       die schnörkellose Begründung ihres Hauptstadtaufenthalts wundert sich zu
       diesem Zeitpunkt schon lange niemand mehr: „Man muss schon nach Berlin
       fahren, um ordentlich durchgefickt zu werden.“
       
       „Berlin für Helden“ heißt Klaus Lemkes neuer Film, auch wenn das
       versammelte Personal eher verlierermäßig überfordert durch die Stadt
       stolpert. Die sprichwörtliche Gefahr der Großstadt ist hier Produkt einer
       reichlich limitierten Heldenperspektive.
       
       ## Am Ende doch nur spießige Eifersucht
       
       Stets sind die Figuren auf der Suche nach der nächsten Nummer, geraten aber
       zuverlässig immer wieder an alte Bekannte aus Hamburg oder Düsseldorf. Am
       Ende war alles spießige Eifersucht, Sehnsucht nach exklusiver
       Zweierbeziehung. So hatte man sich das heroische Moment Berlins ja nun auch
       nicht vorgestellt.
       
       Die Ermüdung der Figuren geht entsprechend schnell auf den Zuschauer über.
       Anfänglich sind das stumpfe Gerede, die pseudosexy Posen noch als
       Low-Budget-Charme halbwegs rezipierbar. Nach einer halben Stunde spätestens
       fleht man, dass Saralisa doch wenigstens ein Mal das Höschen anbehalten
       möge oder dass endlich jemand auftritt, der sich nicht gleich mit einer
       mindestens bescheuerten Bemerkung über den schwarzen Musikproduzenten als
       Volltrottel desavouiert.
       
       Seine Sicht der Geschlechterdifferenz bringt Lemke bevorzugt auf den
       Antagonismus „Cowboy“ versus „Baby“. Das hat ihn in den letzten Jahren zu
       einem beliebten Interviewpartner des bürgerlichen Feuilletons gemacht.
       Gerade im Vergleich zum Comeback-Film „Träum weiter, Julia“ (2005) oder der
       schönen Idee, das delirierend-patriotische Fußball-Sommermärchen zur
       Nummernrevue zu degradieren („Finale“, 2006), sind die
       Abnutzungserscheinungen des filmischen Ansatzes aber kaum mehr zu
       übersehen.
       
       Dazu tragen auch Lemkes öffentliche Kulturinfarkt-Auftritte bei. Die
       Kombination aus kuriosem 70er-Jahre-Machismo und der zuletzt am Rande der
       Berlinale medienwirksam vorgetragenen Behauptung, er würde im Unterschied
       zu allen Regiekollegen, die unterwürfige Subventionsempfänger seien, auf
       „Staatsknete“ verzichten, befremdet dann doch etwas, wenn ausgerechnet das
       ZDF stets Endabnehmer und im aktuellen Fall sogar Koproduzent ist.
       
       Das „neue Berlin“, so wie Mainz es sieht? Der staatsferne Jungsfilm ist
       jedenfalls auch nicht mehr das, was er mal war.
       
       „Berlin für Helden“. Regie: Klaus Lemke. Mit Saralisa Volm, Marco Barotti
       u. a. Deutschland 2012, 83 Min.
       
       5 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simon Rothöhler
       
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