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       # taz.de -- Kontrollgesetz in Alabama: "Fahndung nach ethnischen Kriterien"
       
       > Das Gesetz HB 56 in Alabama erlaubt Identitätskontrollen auf Verdacht.
       > Zahlreiche kirchliche, menschenrechtliche und gewerkschaftliche Gruppen
       > protestieren.
       
   IMG Bild: „One Heart, One Alabama“. Protest gegen das House Bill 56 in Alabama.
       
       WASHINGTON taz | Am 29. September 2011 kamen in Alabama Tausende Kinder
       nicht in die Schule. Ihre Eltern, papierlose Einwanderer aus Lateinamerika,
       hatten den Bundesstaat im tiefen Süden der USA fluchtartig verlassen. Denn
       an diesem Tag trat das restriktivste Einwanderungsgesetz der USA in Kraft.
       
       Der House Bill Number 56, kurz HB 56 genannt, erlaubt der Polizei
       Identitätskontrollen, wann immer sie den Verdacht hat, dass ein Verstoß
       gegen Einwanderungsregeln vorliegt. Zudem kriminalisiert das Gesetz jede
       Dienstleistung für „Illegale“: vom Transport in Fahrzeugen, über
       Beschäftigung, Vergabe von Sozialleistungen bis hin zur Vermietung von
       Wohnraum.
       
       Alabamas republikanischer Gouverneur Robert Bentley hatte seinen Wahlkampf
       mit dem Versprechen bestritten, „Illegale“ radikal zu verfolgen. Das spare
       öffentliche Gelder, schaffe Arbeitsplätze und verbessere die Sicherheit, so
       die Begründung. So sah das auch die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament
       des US-Staates. Zahlreiche kirchliche, menschenrechtliche und
       gewerkschaftliche Gruppen protestieren mittlerweile gegen die durch HB 56
       autorisierte „Fahndung und Verfolgung nach ethnischen Kriterien“. Mehrere
       US-Gerichte befassen sich mit Einzelbestimmungen. Doch die wesentlichen
       Teile gelten.
       
       Die Wirtschaft in Alabama, wo weniger als vier Prozent EinwandererInnen
       leben, entstand um Baumwollplantagen, in denen SklavInnen arbeiten mussten.
       Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hielt sich hier die
       Rassentrennung. Doch das Gesetz HB 56 ist kein Produkt aus Alabama, sondern
       Teil einer US-weiten Offensive. Es stammt von Kris Kobach, dem
       republikanischen Politiker und Juristen, der auch das radikale
       Einwanderungsgesetz in Arizona verfasste. SB 1070 konnte wegen
       gerichtlicher Überprüfungen bislang nicht in Kraft treten. Kobach, einst
       Kritiker der Antiapartheidbewegung, ist heute Staatssekretär in Kansas und
       unterstützt die Präsidentschaftskandidatur von Mitt Romney.
       
       Vor und direkt nach dem Inkrafttreten von HB 56 suchten EinwandererInnen in
       Alabama Rechtshilfe bei der Hispanic Interest Coalition of Alabama (HICA).
       Sie wollen sicherstellen, dass im Fall ihrer Festnahme Personen ihres
       Vertrauens das Sorgerecht für ihre Kinder erhalten. In den folgenden
       Herbstwochen hatten Landwirte in Alabama erstmals Probleme, Erntehelfer zu
       finden. Zudem schlossen zahlreiche EinwandererInnen ihre Betriebe in
       Alabama.
       
       Zu den ersten Opfern des neuen Übereifers gegenüber AusländerInnen in
       Alabama gehörte ein Mercedes-Manager. Als er im November mit seinem
       Mietwagen kontrolliert wird, hat er nur seinen deutschen Ausweis dabei. Die
       Polizei nahm ihn sofort fest.
       
       In einer ersten Kosten-Nutzen-Analyse hält der Wirtschaftswissenschaftler
       Samuel Addy von der Universität Alabama im Januar fest, dass das Gesetz
       „ziemlich teuer“ sei – und „das Wirtschaftsvolumen von Alabama
       verkleinert“. Durch das Fernbleiben von EinwandererInnen entstünden weder
       neue Arbeitsplätze noch würde sich die Sicherheit verbessern.
       
       4 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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