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       # taz.de -- Effekte des Betreuungsgeldes: Motorisch und sozial benachteiligt
       
       > Die Wissenschaft ist sich einig: Die Prämie fürs Daheimbleiben schadet
       > Müttern und Kindern. Teilweise führt ein Betreuungsgeld auch zu
       > überraschenden Effekten.
       
   IMG Bild: Sieht nett aus, aber ist für beide Beteiligten nicht von Vorteil: Erziehung zuhause.
       
       BERLIN taz | Die Prämie für Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause erziehen,
       hat keinen guten Ruf – auch bei ExpertInnen nicht. Mehrere Studien haben
       sich schon damit beschäftigt und kamen zu bedenklichen Ergebnissen.
       
       Die jüngste Studie kam im März 2012 vom Forschungsinstitut zur Zukunft der
       Arbeit (IZA). Darin untersuchten Christina Gathmann und Björn Sass das
       thüringische „Erziehungsgeld“ von 150 bis zu 300 Euro, das schon seit 2006
       an Familien gezahlt wird, die ihre Kinder nicht in der Kita betreuen
       lassen.
       
       Die Folge dieser Politik: Die Zahl der zu Hause betreuten Kinder stieg um
       20 Prozent an, ihre Mütter gaben meist ihren Beruf auf. Dieser Effekt war
       umso stärker, je geringer die Qualifikation und/oder das Einkommen der
       Eltern war. Die Kinder profitierten aber nicht von dieser Betreuungsform:
       Insbesondere die Mädchen entwickelten ihre motorischen und sozialen
       Fähigkeiten weniger als die Kita-Kinder.
       
       Gerade Kinder aus bildungsfernen und armen Familien profitieren, das
       zeigten verschiedene amerikanische Studien, stärker von der öffentlichen
       Betreuung, erklären die AutorInnen. Dieser Effekt geht verloren, wenn sie
       zu Hause betreut werden: „Das Ausmaß, in dem Kinder aus benachteiligten
       Familien von öffentlicher Betreuung profitieren können, sollte Politikern
       zu denken geben.“
       
       Zu diesen Ergebnissen gesellt sich die Frage, wie das Betreuungsgeld
       eigentlich ins Rechtssystem passt. Die Hamburger Juraprofessorin Margarete
       Schuler-Harms etwa sieht es kritisch. Sie schreibt in einem Gutachten für
       die Friedrich-Ebert-Stiftung: „Wenn der Gesetzgeber eine neue Sachleistung
       einführt, darf er keine Gruppen begünstigen oder benachteiligen.“ Bekommt
       also die Gruppe der Kita-Abstinenten 150 Euro, so müssen die
       Kita-NutzerInnen die Summe ebenfalls erhalten.
       
       In Westdeutschland könnte sich ein anderes Szenario entwickeln als in
       Thüringen. Man kennt es aus Finnland: Dort gibt es ebenfalls eine Art
       Betreuungsgeld. Und es zeigt sich unter anderem ein Effekt, den die CSU
       sicher nicht im Sinn hatte: Die Frauen arbeiten dort überwiegend in
       Vollzeit – und nutzen das Betreuungsgeld, um zusätzlich zur staatlichen
       auch noch private Betreuung einzukaufen. Ähnliches könnte vor allem in
       Westdeutschland passieren. Weil der Kitaausbau zu langsam vorankommt,
       würden die Eltern Tagesmütter einkaufen. Die Politik subventionierte dann
       Tagesmütter statt Kitas.
       
       3 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heide Oestreich
       
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