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       # taz.de -- Auswärtiges Amt warnt vor Problemen: Wettbewerbsvorteil Frauenquote
       
       > Die fehlende Frauenquote kann offenbar zum Problem für die deutsche
       > Wirtschaft werden. Firmen könnten bald Aufträge aus dem EU-Ausland
       > verlieren.
       
   IMG Bild: Kommen im Ausland gut an: Frauen in Führungsjobs.
       
       BERLIN taz | Es ist ein unscheinbarer Vermerk. Aber er droht ein Szenario
       an, das es in sich hat. Die deutsche Wettbewerbsfähigkeit steht in Frage.
       Und schuld wäre ausgerechnet die schwarz-gelbe Bundesregierung.
       
       Der Vermerk kommt aus dem Auswärtigen Amt. Darin wird befürchtet, dass
       deutsche Unternehmen in Frankreich oder Spanien bald keine öffentlichen
       Aufträge mehr bekommen. Denn in Spanien beispielsweise werden öffentliche
       Aufträge bevorzugt an Unternehmen vergeben, die die Frauenquote einhalten.
       
       Deutschland aber hat kein Quotengesetz und nur wenige Frauen in
       Führungsjobs. „Dies könnte über kurz oder lang dazu führen, dass deutsche
       Unternehmen nicht mehr an Ausschreibungen zum Beispiel in Spanien oder
       Frankreich teilnehmen dürfen, da sie hinsichtlich des Anteils weiblicher
       Führungskräfte nicht die Voraussetzungen der dort geltenden Quotengesetze
       erfüllen“, heißt es in dem Vermerk, der der taz vorliegt. Auch
       EU-Justizkommissarin Viviane Reding hatte dieses Risiko kürzlich in einem
       Interview erwähnt.
       
       Diese Nachricht schlachten die Parteien nun je nach Gusto aus. Grüne und
       SPD haben der Regierung jüngst in einer Aktuellen Stunde im Bundestag
       vorgehalten, dass sie für Wettbewerbsnachteile der deutschen Wirtschaft
       sorge, indem sie in Sachen Quote tatenlos bliebe.
       
       Der Rechtsexperte der Grünen, Volker Beck, frohlockt: „Die Tage von
       Kristina Schröders ideologischem Widerstand gegen die Frauenquote sind
       gezählt. Die Frauenquote wird für Deutschland als Exportland
       unverzichtbar.“ Die CDU dagegen erklärte, dass Quoten bei der
       internationalen Vergabe keine Rolle spielen könnten, weil „sachfremde“
       Kriterien der Ausschreibung immer „einen Bezug zum Auftrag haben“ müssen.
       „Was hat eine Autobahn in Spanien mit der Frauenquote zu tun?“, fragte der
       Unions-Abgeordnete Matthias Heider rhetorisch.
       
       ## Die Doppelstrategie der FDP
       
       Die FDP fährt eine interessante Doppelstrategie: Einerseits behauptete
       Familienpolitiker Jörg von Polheim im Bundestag, dass es Gesetzeslage sei,
       dass deutsche Unternehmen in diesen Fällen nicht benachteiligt werden
       dürften. Die entgegengesetzte Haltung vertrat dagegen seine Kollegin, die
       frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Nicole Bracht-Bendt: Sie geht
       davon aus, dass das Vergaberecht europaweit durchaus an Quoten gebunden
       sein kann.
       
       Woraus sie folgert: „Durch das EU-Recht erübrigt sich eine gesetzlich
       vorgeschriebene Frauenquote ohnehin. Unternehmen, die nicht riskieren
       wollen, von Ausschreibungen ausgeschlossen zu werden, werden eigenständig
       die Initiative ergreifen.“
       
       Und, was stimmt nun? Die Aufnahme sogenannter sachfremder Kriterien wie
       eine Frauenquote in das Vergaberecht wird in der Fachwelt heiß diskutiert.
       Martin Burgi, Professor für deutsches und europäisches Recht an der Uni
       Bochum, sieht die Aussage des Auswärtigen Amtes kritisch: „Das europäische
       Vergaberecht verlangt, dass sachfremde Vergabekriterien immer einen Bezug
       zum Auftragsgegenstand haben müssen. Das ist bei einer Frauenquote im
       Vorstand eher nicht der Fall.“
       
       Doch einschlägige Urteile gebe es noch nicht. Auch widerspricht der
       Rechtsexperte der Grünen, Volker Beck, dem Ansatz Burtis. Er weist darauf
       hin, dass der EuGH eine Behindertenquote als sachfremdes Kriterium bei der
       Auftragsvergabe zugelassen habe. Mit anderen Worten: Um Klarheit über die
       Frauen im Vergaberecht zu erlange, müssten erst einmal Unternehmen gegen
       ihren Ausschluss von der Vergabe klagen.
       
       Annette Karstedt-Meierrieks leitet das Referat Öffentliche Aufträge bei der
       DIHK. Sie hat bisher keinerlei Hinweise von Unternehmen bekommen, dass
       diese an Quoten im Ausland scheiterten. Im Übrigen aber bewege sich der
       grenzüberschreitende Verkehr bei Vergabeverfahren im Ausland im „niedrigen
       einstelligen Bereich“, so Karstedt-Meierrieks. Die Wettbewerbsfähigkeit
       Deutschlands ist also unmittelbar noch nicht in Gefahr.
       
       2 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heide Oestreich
       
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