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       # taz.de -- Israel-Palästina-Konflikt: Randale am „Tag des Bodens“
       
       > Am Checkpoint in Kalandia kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen
       > Palästinensern und Soldaten. Israel plant, den Siedlungsbau noch zu
       > intensivieren.
       
   IMG Bild: Am „Tag des Bodens“ protestieren Palästinenser gegen die fortgesetzten Landenteignungen.
       
       JERUSALEM taz | Ein Porträt des jungen Marwan Barghuti begleitete die
       Demonstranten, die seinem Aufruf gefolgt waren. Barghuti, der wegen
       Beteiligung an Terroranschlägen zu fünfmal lebenslanger Haft verurteilt
       wurde, hatte von seiner Gefängniszelle aus anlässlich des „Tages des
       Bodens“ am 30. März seine Anhänger zum Protest gegen die fortgesetzten
       Landenteignungen mobilisiert.
       
       Am Kalandia-Checkpoint zwischen Jerusalem und Ramallah kam es am frühen
       Nachmittag zu den ersten heftigen Auseinandersetzungen zwischen zum Teil
       maskierten Jugendlichen und der israelischen Grenzpolizei. Barghutis
       Porträt prangt an der Betonmauer gleich neben dem Kontrollpunkt.
       
       Die jungen Palästinenser machten ihrem Unmut über die israelische
       Besatzungspolitik mit Steinen und Molotowcocktails Luft. Die Armee
       reagierte mit Gummigeschossen, Tränengas und „schmutzigen Wasserwerfern“,
       die eine übelriechende Flüssigkeit verteilen. Auseinandersetzungen und
       Verhaftungen gab es auch am Damaskustor in der Altstadt von Jerusalem, am
       Grab der Rachel in Bethlehem und im nördlichen Gazastreifen.
       
       Aus Sorge vor Massenprotesten galt bei den Sicherheitsdiensten erhöhte
       Alarmbereitschaft, vor allem auch im Grenzbereich zu Syrien, dem Libanon
       und Jordanien. Der „Tag des Bodens“ geht auf ein Ereignis zurück, das sich
       nicht im besetzten Palästina, sondern im Norden Israels ereignete. Bei
       Protesten gegen umfassende Landenteignungen in Galiläa wurden 1976 sechs
       israelische Araber, drei Männer und drei Frauen, erschossen. Jedes Jahr
       finden seither am 30. März Gedenkkundgebungen statt.
       
       Gerade rechtzeitig zum „Tag des Bodens“ veröffentlichte die liberale
       Ha’aretz gestern einen internen Bericht der israelischen Zivilverwaltung im
       besetzten Westjordanland. Diesem Bericht zufolge hat die Zivilverwaltung,
       die dem Verteidigungsministerium unterstellt ist, Karten skizziert, auf den
       Flächen gekennzeichnet sind, die sich für den Bau neuer oder die
       Erweiterung bestehender Siedlungen eignen. Die Karten wurden auf Anfrage
       des Anti-Siedlungs-Aktivisten Dror Etkes, ehemals „Frieden jetzt“, der
       Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
       
       „Die Karten zählen mehrere Gemeinden auf, die nicht existieren“, so
       schreibt Ha’aretz, wie „Schlomzion“, „Lev Hashomron“ („Herz Samarias“) und
       „Mevo Adumim“. Insgesamt seien 569 Parzellen auf etwa 10 Prozent der
       gesamten Fläche des Westjordanlandes markiert, ein Teil davon auch in den
       von den Palästinensern verwalteten sogenannten A- und B-Zonen. Etkes
       vermutet, dass die Zivilverwaltung die fraglichen Landflächen „für eine
       künftige Nutzung reserviert“.
       
       Israels Festhalten am Ausbau der Siedlungen ist der Hauptgrund für das
       Stocken des Friedensprozesses. Erstmals rief Marwan Barghuti zum Abbruch
       aller Kontakte zu Israel auf. „Wenn sich die Zahl der Siedler verdoppelt“,
       so der prominente Fatah-Politiker in einem Brief, sei klar, „dass es keinen
       Partner für den Frieden gibt“. Er rief zum Boykott israelischer Produkte
       auf. Auch müsse der internationale Druck auf die Regierung in Jerusalem
       verstärkt werden.
       
       30 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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