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       # taz.de -- Schwarzer Teenager in den USA erschossen: Lynchjustiz und Rassismus
       
       > In Florida erschießt ein weißes Bürgerwehr-Mitglied einen schwarzen
       > Teenager in einem Reichenviertel und bleibt auf freiem Fuß. Der Fall
       > erschüttert das Land.
       
   IMG Bild: Solidarität im Kapuzenpullover: Teilnehmer des 1.000.000-Hoodie-March in New York am Mittwoch.
       
       WASHINGTON taz | Am 26. Februar traf eine Kugel den 17-Jährigen Trayvon
       Martin tödlich in die Brust. Der Junge war losgezogen, um sich ein paar
       Bonbons zu kaufen. Auf dem Nachhauseweg nahm er die Abkürzung durch eine
       bewachte Wohnanlage in Sanford bei Orlando.
       
       Trayvons Verhängnis: Er trug einen Kapuzenpulli und er war schwarz. Für den
       weißen Hispanic George Zimmermann von der Bürgerwache reichte das. Er
       verständigte die Polizei. Er stehe wohl unter Drogen und habe auch noch die
       Hände in den Taschen. „Diese Arschlöcher entkommen immer“, sagte er noch.
       
       Trayvon wog 63 Kilo, war ein Musterschüler und hatte eine Tüte „Scittles“
       und Eistee dabei. Zimmermann, mehr als doppelt so schwer, lallte am Telefon
       und trug eine 9-Millimeter-Pistole. „Da ist ein komischer Typ mit einem
       Handy hinter mir her“, erzählte Trayvon aufgeregt seiner Freundin am
       Telefon. Sie hörte, wie Trayvon angeschrien und geschlagen wurde – dann
       brach die Verbindung ab. Anwohner hörten den Jungen schreien. Dann den
       Schuss – und Stille.
       
       Stille wollte auch der Polizeichef von Sanford. Zeugenaussagen wurden
       „korrigiert“, Akten begraben und Zimmermann auf freien Fuß gesetzt. Doch
       der Aufschrei der Entrüstung ist laut: Ein halbwüchsiger Junge starb aus
       Rassenhass und Waffenwahn. Nicht nur für Trayvons Familie ist klar: Wäre
       der Schütze schwarz und das Opfer weiß – der Schütze säße hinter Gittern.
       „Zimmermann wird zum Opfer gemacht, dabei liegt ihr Sohn im Grab“, so der
       Anwalt der Martins, Benjamin Crump.
       
       ## Das John-Wayne-Gesetz
       
       Dass ein Hilfscop, der noch nicht einmal einer registrierten Wachfirma
       angehört, einen Teenager erschießen darf, ohne dafür zur Rechenschaft
       gezogen zu werden, verantwortet ein Gesetz, das an die Siedlerzeit im
       Wilden Westen erinnert: „Stand your Ground“ nennen es die einen, „John
       Wayne-Gesetz“ die anderen. Tatsächlich ist es der Freischein zum Töten für
       jeden, der sich bedroht fühlt. Nicht nur auf seinem eigenen Grund und
       Boden, sondern überall.
       
       Eingeführt wurde es 2005 vom konservativen Gouverneur Jeb Bush, dem
       jüngeren Bruder von George W. Bush. Und zwar mithilfe der Waffenlobby
       National Rifle Association (NRA). Gegen den Widerstand vieler, die warnten:
       „Hier zu Hause könnte es gefährlicher werden als in Krisengebieten.“ Und
       tatsächlich: In Florida stieg seitdem die Zahl der Schussopfer von
       Wachdiensten und ähnlichen Hilfscops um das Dreifache.
       
       Die Waffenträger müssen nicht mal selber eine weiße Weste haben. „Viele
       sind Exhäftlinge, haben Überfälle, Einbrüche und Kindesmisshandlung auf dem
       Kerbholz“, sagt Caroline Brewer von der Brady Campaign to Prevent Gun
       Violence. „Wir reden hier über Leute, die gefährlich und gewalttätig sind.“
       Kurz nach Einführung des Gesetzes hätten in Florida hunderte dieser Leute
       die Lizenz erworben, „rauszugehen und andere zu töten“.
       
       ## 21 Bundesstaaten ziehen mit
       
       Inzwischen haben 21 Bundesstaaten ähnliche Gesetze. Manche erlauben es
       ihren Bürgern sogar, die Waffen in aller Öffentlichkeit zu tragen.
       Demnächst sollen US-Bürger wie Zimmermann ihre Waffen sogar mit über
       Staatengrenzen nehmen können, fordert der demokratische Senator aus Alaska,
       Mark Begich, im US-Kongress. „Die NRA hat gefährlichen Bürgern erfolgreich
       ermöglicht, Waffen zu tragen und gegen Familien und Mitglieder unserer
       Gemeinden zu benutzen“, so Brewer. „Sie haben uns zu einer unsichereren
       Nation gemacht.“
       
       Trayvon fiel dem zum Opfer. Er ist tot. Doch seine Eltern und Unterstützer
       schlagen zurück: Sie wollen „Gerechtigkeit für Trayvon“ – und die besteht
       darin, den Mörder ins Gefängnis zu bringen und die Rauchende-Colts-Kultur
       zu verändern. 800.000 Anhänger unterzeichneten die Internetpetition bis
       Donnerstag.
       
       Auch Floridas demokratischer Senator Chris Smith will das Gesetz angehen.
       Bürgerrechtler wie Al Sharpton und schwarze Künstler-Promis wie Spike Lee
       und John Legend prangern die Rechtsprechung an, die praktisch jeden in den
       USA zum Freiwild macht, wenn er zur falschen Zeit am falschen Ort den
       Falschen trifft.
       
       Vor allem wenn er die falsche Hautfarbe hat.
       
       22 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Antje Passenheim
       
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