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       # taz.de -- Finanzexperte über Wind- und Solarenergie: „Man braucht Wall-Street-Banken“
       
       > Die Solarbranche geht nach China, Windkraft bleibt europäisches
       > Hoheitsgebiet, sagt Finanzexperte Michael Liebreich vom Nachrichtendienst
       > Bloomberg New Energy Finance.
       
   IMG Bild: Tonangebend bei zwei grünen Energienformen: Weder China noch Europa dürften das in Zukunft hinkriegen.
       
       taz: Herr Liebreich, auf Ihrer Konferenz in dieser Woche in New York
       tummelten sich Manager von Investmentbanken und Private Equity Fonds.
       Entdeckt die Finanzwirtschaft ihr grünes Herz? 
       
       Michael Liebreich: Grün ist hier keine Kategorie. Es wird viel investiert –
       ob in den USA oder Europa –, und die Großindustrie braucht große
       Investoren.
       
       Hier in Deutschland glauben viele an genossenschaftliche Windparks in
       Dörfern und die Solaranlage auf dem eigenen Dach. 
       
       Ich habe mir gerade einen Windpark in Mexiko mit 400 Megawatt angesehen.
       Der hat bestimmt 600 Millionen Dollar gekostet. Das finanziert keine
       Genossenschaft. Man braucht große Banken, um das Risiko zu streuen …
       
       … also Wertpapiere aufzulegen und an Investoren weiterzuverkaufen. 
       
       Bei Solaranlagen auf Hausdächern ist das etwas anderes, aber man darf die
       Hersteller nicht vergessen. Canadian Solar ist ein Milliardenkonzern. Wenn
       die einen Aktienrückkauf starten würden, könnte das keine Sparkasse machen.
       Dafür braucht man Wall-Street-Banken.
       
       Das meiste Geld in erneuerbare Energien investieren heute aber nicht mehr
       Industriestaaten, sondern Entwicklungsländer. 
       
       Dazu gehören aber auch so einflussreiche Staaten wie China, Brasilien und
       Indien. Brasilien ist zum Beispiel ein starker Treiber der Bioenergie.
       Ethanol kostet dort weniger als Benzin, damit ist das Land Vorbild für
       viele andere Länder. Brasilien hat seine Industrie aber auch über 30, 40
       Jahre aufgebaut.
       
       Deutschland ist also nicht der einzige Pionier in grünen Energien? 
       
       Überhaupt nicht. Großen Einfluss haben heute die USA, die China 2011 wieder
       den Spitzenplatz unter den Investoren abgenommen haben. Dafür hat China
       inzwischen einen großen Einfluss auf die Preise von Solarmodulen …
       
       … vor allem durch staatliche Subventionen. Kann Deutschland dagegen mit
       Subventionen für eigene Firmen ankommen? 
       
       Jedes Land subventioniert diese Industrie, Deutschland mit einer
       Einspeisevergütung, die USA mit niedrigen Steuern. Politiker müssen aber
       lernen, dass Subventionen irgendwann nicht mehr weiterhelfen. Wenn Apple
       seine iPads in China herstellt, warum sollten dann europäische Solarfirmen
       in Europa produzieren?
       
       Und welche Technologien werden für Europa übrig bleiben? 
       
       Windkraft wird für China viel schwieriger zu beherrschen sein als die
       Solartechnik. Fotovoltaik hat große Parallelen zur Unterhaltungselektronik.
       Deshalb steigt Foxconn aus Taiwan jetzt ins Solargeschäft ein, die haben
       viel für Motorola geliefert. Aber bei Wind ist viel mehr Erfahrung im
       Maschinenbau nötig. Genau da ist Deutschland sehr stark.
       
       Die Solarproduktion in Europa wird also keine Zukunft haben? 
       
       Ich würde nicht sagen: gar keine Zukunft. Es wird um High-End-Produkte
       gehen, etwa Solarzellen, die in Gebäude integriert sind. Auf meinem Haus in
       London möchte ich keine Solaranlage. Das sieht furchtbar aus! Aber wenn
       mein normales Dach Strom produzieren würde, ich würde dafür doppelt so viel
       bezahlen wie für ein chinesisches Modul.
       
       Politiker beschäftigen sich seit drei Jahren mit der Finanz- und der
       Eurokrise und kaum noch mit Klimaschutz. Brauchen grüne Energien neue
       Argumente? 
       
       Absolut. Hier in Amerika polarisiert der Klimaschutz im Wahljahr sehr
       stark. Die Tea Party glaubt, der menschengemachte Klimawandel sei eine Lüge
       der Wissenschaft. Ein Argument, das jetzt kommen muss, ist die
       Versorgungssicherheit – und ich glaube, auch die gesundheitlichen Folgen
       der Verbrennung von Kohle oder Öl werden eine immer größere Rolle spielen.
       
       23 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manuel Berkel
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Genossen machen die taz
       
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