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       # taz.de -- Finanzplan der Bundesregierung: Musterschüler Schäuble unter Beschuss
       
       > Der Finanzminister freut sich darüber, dass er 2016 vielleicht kaum noch
       > neue Schulden macht. Die FDP kritisiert die Pläne als unambitioniert.
       
   IMG Bild: Gute Laune! Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
       
       BERLIN taz | Der Finanzminister war entschlossen, sich seine gute Laune
       nicht verderben zu lassen. „Es zeigen sich die Früchte einer soliden
       Wirtschafts- und Finanzpolitik“, verkündete Wolfgang Schäuble, als er am
       Mittwoch in Berlin die vom Kabinett verabschiedeten Haushalts-Eckwerte für
       die nächsten Jahre vorstellte.
       
       Grund für die Freude des Ministers ist der erwartete Rückgang der
       Neuverschuldung: Sie soll von knapp 25 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf nur
       noch 1,1 Milliarden im Jahr 2016 sinken – und damit schneller als zuvor
       geplant.
       
       „In allen denkbaren Betrachtungen liegen wir damit weit vor allen
       Anforderungen“, sagte der CDU-Minister. Die Vorgabe der durch die
       Verfassung vorgegebenen Schuldenbremse, wonach ab dem Jahr 2016 das
       strukturelle Defizit nicht mehr als 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
       erreichen darf, werde schon 2014 erreicht.
       
       Doch nicht nur die Opposition goss Wasser in den Wein des Finanzministers.
       Auch Vertreter seiner Koalition fielen ihm in den Rücken.
       
       Nachdem im Vorfeld mit Norbert Barthle schon der haushaltspolitische
       Sprecher der Unionsfraktion die Pläne als wenig ambitioniert kritisiert
       hatte, legte die FDP am Mittwoch nach. Eine „schwarze Null“, also ein
       ausgeglichener Haushalt, sei schon 2014 möglich, erklärte der designierte
       Generalsekretär Patrick Döring. Schäuble reagierte mit Spott auf diese
       Kritik. Es gebe bei der FDP offenbar ein „kommunikatives Missverständnis“,
       denn der Parteivorsitzende habe der Haushaltsplanung im Kabinett
       zugestimmt. „Wenn der Kollege Döring noch Einwände hat, kann ich ihm die
       Dinge gern erläutern“, stichelte Schäuble.
       
       Auch die Tatsache, dass die Regierung sich in diesem Jahr noch einmal
       kräftig neu verschuldet, hält der Minister nicht für kritikwürdig. Der
       Anstieg um 8,7 Milliarden, der noch in einem Nachtragshaushalt bewilligt
       werden muss, sei ein einmaliger „Ausreißer“, der vor allem durch die
       vorgezogene Einzahlung in den dauerhaften Eurorettungsfonds ESM entstanden
       sei.
       
       Die SPD ist davon nicht überzeugt. Dass die Neuverschuldung in Zeiten der
       sprudelnden Steuereinnahmen wieder ansteige, versetze seine Fraktion in
       „großes Staunen“, sagte Geschäftsführer Thomas Oppermann. „Die
       Bundesregierung predigt in Europa Wasser und trinkt in Deutschland Wein.“
       Das wies Schäuble scharf zurück. „In Europa wird eher gefragt, ob wir nicht
       zu schnell sparen“, sagte er. Dahinter steht die Sorge, dass starkes Sparen
       in ganz Europa zugleich die Konjunktur gefährdet.
       
       ## Gute-Laune-Verbreiter Schäuble
       
       Weniger am Umfang als an den Inhalten des Haushalts stört sich die
       Linkspartei. Denn die Zuschüsse für die Sozialsysteme werden deutlich
       gekürzt: Die Rentenkasse erhält eine Milliarde Euro pro Jahr weniger, der
       Bundesagentur für Arbeit werden 2013 zwei Milliarden und danach eine
       Milliarde jährlich gestrichen, und die gesetzlichen Krankenkassen müssen
       2013 einmalig zwei Milliarden an den Bund abführen. Während Schäuble dies
       mit gesunkenen Bedarf durch die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt begründet,
       sieht die Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch eine „Haushaltssanierung auf
       Kosten der Sozialkassen“, der die „Umverteilung von unten nach oben“
       fortsetze.
       
       Auch die Grünen kritisierten, dass bei sozial Schwachen gekürzt werde,
       während andere Pläne, etwa der Abbau ökologisch schädlicher Subventionen,
       aufgegeben wurden.
       
       Der entwicklungspolitische Sprecher Thilo Hoppe bemängelte, dass die
       Regierung ihre Zusagen zur Entwicklungsfinanzierung breche. Mit der
       „enttäuschend geringen“ Steigerung der Entwicklungshilfe sei das
       Versprechen, bis 2015 mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für
       Entwicklungshilfe auszugeben, nicht erreichbar.
       
       Die Opposition beklagte zudem die Ankündigung, dass das umstrittene
       Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Kita schicken,
       durch pauschale Kürzungen in anderen Ressorts finanziert werden soll. Bei
       dieser Frage musste selbst Gute-Laune-Verbreiter Schäuble einräumen: „Da
       haben wir sicher noch Erörterungsbedarf.“
       
       21 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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