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       # taz.de -- Kommentar Aufbau Ost: Solidarität braucht solide Einnahmen
       
       > Der Solidarpakt sollte nicht bloß ein olles Ost-West-Ding sein. Wenn die
       > Länder die Verpflichtung gegenüber Bürgern ernst nähmen, würden sie den
       > Bund zwingen, die Steuern zu erhöhen.
       
       Der Solidarpakt ist gar nicht der einzige Lastenausgleich zwischen West und
       Ost. Doch machen die Bürgermeister an Rhein und Ruhr samt ihrer
       Ministerpräsidentin nun dagegen mobil, weil er von den Kommunen
       mitfinanziert wird. Dass im Ruhrgebiet die Schwimmbäder schließen, während
       in Thüringen liebevoll der Staub von den sanierten Rathausfassaden
       gepinselt wird, ist wunderbares Wahlkampfmaterial. Erstens ist es konkret,
       zweitens regt es den Lokalpatriotismus an, und drittens hat man die Schuld
       an manchem lokalen Versagen fix verschoben.
       
       Doch wäre es schade um das wichtige Thema, wenn daraus bloß ein olles
       Ost-West-Ding gemacht würde. Denn eigentlich hat Hannelore Kraft in
       Nordrhein-Westfalen ja längst erkannt, dass die Not der Städte nicht mit
       der Schuldenbremse zu bekämpfen ist, sondern dass die Kommunen eine Chance
       brauchen. Dazu war sie bereit, auch das Land weiter zu verschulden. Denn
       die Bürgerinnen und Bürger interessieren sich weniger für die
       verschlungenen Finanzverwaltungspfade, sondern dafür, ob im Stadtteil eine
       Kita aufmacht und was ein Platz dort kostet.
       
       Es ist auch nicht die Schuld der Städte, wenn sie nach Luft ringen. Es war
       die Finanzkrise, welche die Gewerbesteuereinnahmen 2009 einbrechen ließ.
       Kaum eine Einnahme schwankt so stark wie die Gewerbesteuer. Die
       Kommunalverbände verteidigen sie dennoch – sie fürchten, sie würden bei
       einer Reform weiter über den Tisch gezogen. Dabei liegt es doch auf der
       Hand, dass eine solide Infrastruktur nicht an derart unsoliden Einnahmen
       aufgehängt werden kann. Noch weniger lässt sich damit ein so beispielloser
       Strukturwandel wie der im Ruhrgebiet auffangen.
       
       Und es werden der Strukturwandel Ruhr und der Strukturwandel Ost auch nicht
       die letzten gewesen sein. Noch beutelt der Abschied von Kohle und Stahl die
       Gemeinden in West wie Ost. Die von allen gewollte Energiewende wird
       womöglich auch in Nord und Süd noch Abschiede erzwingen. Niemand kann
       wollen, dass sich dann Kommunen und Länder immer noch um
       Gewerbesteuerprozente beharken. Wenn die Bundesländer die Verpflichtung
       gegenüber den Bürgern ernst nähmen, würden sie den Druck durch die
       Schuldenbremse nicht an die Kommunen durchreichen, sondern den Bund
       zwingen, die Steuern zu erhöhen. Die Adressaten sind bekannt.
       
       20 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Winkelmann
       
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