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       # taz.de -- Europaparlament: Grüne bremsen beim Fiskalpakt
       
       > Nach interner Kritik am regierungsfreundlichen Kurs knüpfen die Grünen
       > ihr Ja zum Sparpakt nun an mehr Bedingungen und stellen den Zeitplan in
       > Frage.
       
   IMG Bild: Will von einem Streit nichts wissen: Jürgen Trittin.
       
       BERLIN taz | Die positive Grundhaltung der deutschen Grünen-Spitze zum
       europäischen Fiskalpakt hat zu einer heftigen innerparteilichen
       Auseinandersetzung geführt. In einem Brief an den Bundesvorstand, der der
       taz vorliegt, hatten 13 der 14 deutschen Grünen-Abgeordneten im
       Europaparlament kürzlich gefordert, dass die Partei dem Pakt in Deutschland
       ihre Zustimmung verweigert: Er sei „ein Irrweg“, dem die Grünen die „Hand
       nicht reichen“ sollten.
       
       Mit dem Fiskalpakt verpflichten sich alle EU-Staaten mit Ausnahme
       Großbritanniens zu ausgeglichenen Haushalten und Strafen bei
       Nichteinhaltung. Dieses Ziel stellen die Europa-Grünen nicht in Frage. Sie
       bezweifeln aber zum einen die Wirksamkeit des Paktes; zum anderen sei die
       Verlagerung von Entscheidungen hin zu Eurogipfeln der Staatschefs
       undemokratisch.
       
       Der Fiskalpakt „ignoriert das Europaparlament nicht nur, er schwächt dessen
       bestehende Rechte“, so der Brief. Dritter Kritikpunkt ist die
       „wirtschaftspolitische Einseitigkeit“ des Paktes, der nur auf Sparen setze
       und auf nötige Maßnahmen wie Eurobonds oder Wachstumsimpulse verzichte.
       
       Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, will von einem
       Streit in dieser Frage aber nichts wissen. Der Brief sei entstanden, bevor
       klar war, dass für den Fiskalpakt sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat
       eine Zweidrittelmehrheit erforderlich sei, sagte er am Dienstag. Sofern die
       Grünen nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein an den
       dortigen Regierungen beteiligt sind, gäbe es diese Mehrheit im Bundesrat
       ohne Zustimmung der Grünen nicht.
       
       ## „Demokratische Rechte sichern“
       
       Diese neue Macht wollen die Grünen nun für substanzielle Veränderungen am
       Fiskalpakt nutzen, die die Kritik aus dem EU-Parlament aufgreift. „Wir
       wollen die demokratischen Rechte der Parlamente sichern“, sagte Trittin.
       Unter anderem solle der Präsident des EU-Parlaments an allen Eurogipfeln
       teilnehmen. Im ökonomischen Bereich drängen die Grünen neben der
       Finanztransaktionsteuer auf einen Schuldentilgungsfonds und mehr Geld für
       die Europäische Investitionsbank.
       
       Zudem stellte Trittin den Zeitplan der Bundesregierung in Frage. Diese will
       über den Fiskalpakt noch vor der Sommerpause abstimmen lassen, zusammen mit
       der Entscheidung über den Eurorettungsschirm ESM, der im Juli in Kraft
       treten soll. „Der Fiskalpakt muss erst bis Jahresende ratifiziert werden“,
       bremst Trittin nun. „Eine inhaltliche Verbindung zum ESM gibt es nicht.“
       
       Der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, Reinhard Bütikofer,
       ist mit der Entwicklung zufrieden. „Unser Brief hat eine gewisse Wirkung
       erzielt“, sagte er der taz. Ob er die Forderung nach einer Nicht-Zustimmung
       aufrecht erhalte, hänge vom Ergebnis der bevorstehenden Verhandlungen ab.
       
       In der Bundestagsfraktion gibt es jedoch auch Zweifel, ob sich die Fehler
       beheben lassen. Für den Finanzexperten Gerhard Schick ist jedenfalls klar:
       „Der Fiskalpakt allein weist keinen Weg aus der Schuldenkrise.“
       
       20 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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