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       # taz.de -- Doku über Olympische Spiele 1972: Das große deutsche Scheitern
       
       > 40 Jahre nach den blutigen Olympischen Spielen zeigt das ZDF „München 72“
       > (20.15). Der Film von Regisseur Dror Zahavi nähert sich dem
       > Terroranschlag detailliert.
       
   IMG Bild: Ende der Fröhlichkeit: Nach dem Terroranschlag gingen die Olympischen Spiele 1972 weiter
       
       Es hätten „heitere Spiele“ werden sollen – die Olympischen Spiele 1972 in
       München. Doch sie endete in einer Tragödie. Am 5. September 1972 wurde das
       israelische Team im Athletendorf von der palästinensischen Terrorgruppe
       „Schwarzer September“ überfallen.
       
       Zwei der israelischen Sportler wurden gleich zu Beginn ermordet, neun
       weitere nahmen die Terroristen als Geiseln. Sie starben am späten Abend,
       ebenso wie ein Münchner Polizist und fünf der Geiselnehmer, bei einem
       Schusswechsel zwischen den Terroristen und der Polizei auf dem
       Militärflughafen in Fürstenfeldbruck.
       
       Niemand hatte sich bisher an diese Thematik herangewagt. Selbst Steven
       Spielbergs „Munich“ aus dem Jahr 2005 handelt das Attentat in drei Minuten
       ab. 2012 nun, da sich die Geiselnahme im olympischen Dorf zum 40. Mal
       jährt, zeigt das ZDF den Spielfilm „München 72“, gedreht von Nico Hofmanns
       Produktionsfirma teamWorx.
       
       Regie geführt hat Dror Zahavi, ein Israeli, der bereits seit 20 Jahren in
       Deutschland dreht. Entstanden ist ein versöhnlicher Film, der
       rekonstruieren will, statt zu erklären, und der sich kein Urteil erlaubt.
       Darin liegt seine Stärke.
       
       ## Der Film soll die deutsche Perspektive zeigen
       
       „Als die Produktionsfirma gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, bei
       diesem Film Regie zu führen, habe ich einen Schreck bekommen“, erinnert
       sich Zahavi. „Bei so einem Thema ist die Gefahr, den Film zu verhauen, sehr
       groß.“ Der Regisseur setzte sich zwei Prämissen: Der Film sollte keinen
       weiteren Hass schüren zwischen Israelis und Palästinensern. Und: Der Film
       sollte – obwohl von einem Israeli gedreht – ausschließlich die deutsche
       Perspektive zeigen. Die Gefahr, sich auf die israelische oder die
       palästinensische Seite zu schlagen, umgeht Zahavi damit.
       
       Liebevoll, fast dietlesk inszeniert er die unbeschwerte, ja regelrecht
       naive Stimmung, die damals in München herrschte, erzählt anhand der
       Geschichte der jungen Polizistin Anneliese Graes aus Essen, die im Film
       Anna Gerbers heißt (Bernadette Heerwagen). Sie wird es sein, die später mit
       dem Anführer der palästinensischen Terroristen „Issa“ Lutif Affif (Shredi
       Jabarin) verhandelt – so wie auch in der Realität geschehen.
       
       „Alles, was auch nur annährend nach Spekulation roch, habe ich ganz bewusst
       weggelassen“, sagt Zahavi. Dafür sichtete er Archivmaterial, studierte
       Polizei- und Obduktionsberichte und sprach mit den Witwen zweier ermordeter
       Athleten.
       
       ## Kollektives Scheitern der Behörden
       
       So ist die tragische Geschichte von André und Ankie Spitzer (Pasquale
       Aleardi und Esther Zimmering) zu seinem Hauptmotiv geworden: dem
       israelischen Fechter, den seine Frau ausdrücklich zu den Spielen schickt,
       von denen er nie wiederkehren wird. Dass der Film am Originalschauplatz
       entstand – nach zähen Verhandlungen mit den Bewohnern des olympischen Dorfs
       – kommt der Authentizität der Szenen zugute.
       
       Mehr noch aber ist München 72 eine Geschichte des kollektiven Scheiterns
       der deutschen Behörden angesichts des für sie unvorstellbaren Dramas.
       Schonungslos zeigt Zahavi die Naivität der Behörden, die die Möglichkeit
       eines palästinensischen Attentats als lächerliches Hirngespinst abtun.
       
       Minutiös stellt er das dilettantische Vorgehen der Polizei zur Schau, als
       diese versucht, die Geiseln zu befreien, während die Attentäter den Zugriff
       live über das Fernsehgerät verfolgen. Er offenbart die Hilflosigkeit des
       Einsatzteams, als es am Flughafen von Fürstenfeldbruck zum Showdown kommt.
       Trotzdem bleibt „München 72“ versöhnlich bis zum Schluss – und klagt nicht
       an, was durchaus verurteilenswert gewesen ist.
       
       19 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marlene Halser
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   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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