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       # taz.de -- Seltsame Geschäftsidee: Obdachlos? Kabellos!
       
       > Eine Marketingfirma versucht sich an einer – zumindest vorgeblich –
       > sozialen Idee. Sie will Obdachlose als wandelnde WLAN-Hotspots
       > beschäftigen.
       
   IMG Bild: Sind ihr eigener Hotspot: die japanische Band Peelander-Z beim SXSW.
       
       In der texanischen Hauptstadt Austin findet noch bis Sonntag zum 26. Mal
       eines der größten Technik- und Musikfestivals der Welt, die South by
       Southwest Conferences & Festivals (SXSW), statt. Dieses Jahr war der größte
       Aufreger unter den Techies nicht etwa ein alles veränderndes
       Filesharing-Modell oder das neue iPad, sondern das sogenannte „charitable
       experiment“ der internationalen Marketingagentur Bartle Bogle Hegarty
       (BBH).
       
       Deren Abteilung für Innovation BBH Labs hat es sich zur Aufgabe gemacht,
       mit der geistreichen Idee Obdachlose kurzerhand in lebende WLAN- Hotspots
       umzuwandeln, zumindest die Straßenzeitungsverkäufer vor dem großen
       Zeitungssterben zu bewahren.
       
       Beim Pilotprojekt wurden für einen Tagessatz von 20 Dollar 13 Bewohner
       eines lokalen Obdachlosenheims als lebende WLAN- Hotspots engagiert, um den
       SXSW- Teilnehmern permanenten Internetzugang zu ermöglichen.
       
       Ausgestattet mit mobilen WLAN- Modulen, Visitenkarten und T-Shirts die sie
       auch als wandelnden Zugang zur virtuellen Welt kennzeichnen: „Ich bin
       Clarence, ein 4G Hotspot“. Die Nutzer dieses Angebots landeten auf der
       [1][Homeless Hotspots Website], wo die Empfehlung steht, den Obdachlosen
       entweder bar oder per PayPal pro 15 Minuten im Netz zwei Dollar zu spenden.
       
       ## Wohltätigkeit mit Haken
       
       „Wir glauben, dass Obdachlose deutlich mehr mit derartigen Diensten
       verdienen können als mit dem Zeitungsverkauf", meint Saneel Radia von BBH
       in der New York Times. Kritiker sehen bei diesem wohltätigen Gedanken
       einige Haken.
       
       BBH wird von Kommentatoren vorgeworfen unter dem Vorwand die Straßenzeitung
       zu retten, eigentlich davon profitieren zu wollen, dass Obdachlose in den
       verstecktesten Ecken der Städte abhängen und somit umgewandelt in WLAN-
       Hotspots einen flächendeckenden Internetzugang ermöglichen können.
       
       Außerdem wolle das Unternehmen die Obdachlosen in menschliche Werbeträger
       umwandeln, da der Verkauf der Straßenzeitung nicht nur eine pure
       Einnahmequelle, sondern ihr Inhalt auch für viele Wohnungslose ein
       Sprachrohr ihrer Lebensumstände sei.
       
       Auf den Vorschlag der Kritiker, die Log-in-Page des Homeless Hotspots mit
       den üblichen Inhalten von Straßenzeitungen zu präsentieren, meint BBH Labs,
       dies nicht finanzieren zu können und auf die Werbeannoncen angewiesen zu
       sein. Willkommen in der Zukunft? Die Straßenzeitung wird gerettet indem
       Obdachlose mobile Litfassäulen werden. Nur die Passanten werden noch immer
       gefragt: „Haste mal 'nen Euro?“
       
       16 Mar 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://homelesshotspots.org/
       
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