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       # taz.de -- Neurodermitis und Krankenassen: Kein Geld für frei verkäufliche Arznei
       
       > Krankenkassen müssen keine Salben bezahlen, wenn diese nicht besser
       > wirken als kosmetische Cremes. So hat das Bundessozialgericht
       > entschieden.
       
   IMG Bild: Für die nicht verschreibungsflichtigen Medikamente muss der Patient zumeist selbst aufkommen.
       
       BRAUNSCHWEIG taz | Auch die Basishautpflege von Neurodermitiskranken muss
       die gesetzliche Krankenversicherung nicht bezahlen. Das hat am Dienstag
       ebenfalls das Bundessozialgericht entschieden. Selbst Präparate, die als
       Arzneimittel zugelassen sind, müssen von den Kassen nicht ersetzt werden –
       vor allem wenn sie nicht nachweislich besser wirken als kosmetische
       Hautcremes.
       
       Geklagt hatte eine Frau aus Niedersachsen, die an der juckenden, aber nicht
       ansteckenden Hautkrankheit Neurodermitis leidet. Ihr Arzt verordnete ihr
       fünf Präparate als Basistherapie: zwei Wollwachssalben, eine lokal
       betäubende Salbe, ein Ölbad zum Duschen und eine weiche Zinksalbe für die
       Wundheilung. Die Kassen wollten die Kosten von durchschnittlich 510 Euro
       pro Monat aber nicht ersetzen.
       
       Wie schon das Landessozialgericht Niedersachsen/Bremen gab nun auch das
       Bundessozialgericht den Kassen Recht. Die Richter verwiesen auf die
       rot-grüne Gesundheitsreform von 2004. Damals hatte der Bundestag
       entschieden, dass solche frei verkäuflichen Arzneimittel grundsätzlich
       nicht mehr von den Kassen erstattet werden.
       
       Nur in medizinisch begründeten Ausnahmen kann der 13-köpfige Gemeinsame
       Bundesausschuss, in dem Kassen, Ärzte und Krankenhäuser vertreten sind,
       anordnen, dass solche Arzneimittel doch erstattet werden. Für die
       Basistherapie bei Neurodermitis seien jedoch keine Arzneimittel
       erforderlich, so der Bundesausschuss.
       
       Es gebe keine Studien, die belegen, dass solche Arzneimittel besser wirken
       als billigere, kosmetische Pflegecremes und -Duschbäder. Deshalb lehnte nun
       auch das BSG die Kostenübernahme durch die Kassen ab.
       
       Aus verfassungsrechtlichen Gründen genüge es, wenn die Kassen die Therapie
       schwerer Neurodermitis-Verläufe bezahlen. Hierzu gehöre „nach dem allgemein
       anerkannten Therapiestandard“ die Behandlung mit cortisonhaltigen Salben
       und Calcineurin-Hemmern, die das lokale Immunsystem der Haut unterdrücken.
       
       Mittel der Basistherapie müssten aus anderen Quellen als der
       Krankenversicherung finanziert werden. Bei Bedürftigkeit komme ALG 2 oder
       Sozialhilfe hierfür in Betracht.
       
       Das Bundesverfassungsgericht hatte 2010 entschieden, dass chronisch kranke
       Hartz-IV-Bezieher eine Zusatzhilfe bekommen können, wenn sie viele
       Medikamente brauchen, die von der Kasse nicht bezahlt werden.
       
       7 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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