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       # taz.de -- Abschiebungen: Schon wieder rechtswidrig
       
       > Das Bundesverfassungsgericht rüffelt das Amtsgericht Hannover. Der Anwalt
       > hält 40 Prozent aller Anordnungen von Abschiebehaft für rechtswidrig.
       
   IMG Bild: Sie durften nach massiven Protesten zurück nach Niedersachsen kommen: die abgeschobene vietnamesische Familie Nguyen.
       
       Erneut hat das Bundesverfassungsgericht die Anordnung von Abschiebehaft in
       Niedersachsen beanstandet. In einer am Dienstag vom Flüchtlingsrat
       veröffentlichten Entscheidung wird das Amtsgericht Hannover gerügt. Es habe
       vor der Verhängung von Abschiebehaft gegen einen Georgier den Sachverhalt
       nicht ausreichend aufgeklärt.
       
       Der 1974 geborene Georgier reiste Anfang 2008 aus der Slowakei nach
       Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Zuerst versuchten die
       Behörden, ihn in die Slowakei zurückzuschicken. Als dies nicht gelang,
       lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als
       „offensichtlich unbegründet“ ab und erklärte den Mann für
       ausreisepflichtig.
       
       Dieser Beschluss wurde dem Georgier aber wahrscheinlich nie zugestellt oder
       mitgeteilt. Dennoch beantragte das Hannoversche Ausländeramt einige Tage
       später Abschiebehaft. Und das Amtsgericht fasste im November 2009 auch
       einen entsprechenden Beschluss. Der Mann war inzwischen in die Niederlande
       ausgereist, dort festgenommen worden und landete Tage später wieder in
       Deutschland – in Abschiebehaft. Inzwischen ist er auch nach Georgien
       abgeschoben worden.
       
       Sein Anwalt Peter Fahlbusch betrieb den Fall aber weiter und hatte jetzt
       beim Bundesverfassungsgericht Erfolg. Eine Kammer aus drei Richtern – unter
       ihnen der saarländische Ex-Ministerpräsident Peter Müller (CDU) – stellte
       fest, dass die Festsetzung der Abschiebehaft die Grundrechte des Georgiers
       verletzte. Die Amtsrichterin aus Hannover habe das „Gebot
       eigenverantwortlicher Sachprüfung“ verletzt, das bei Maßnahmen der
       Freiheitsentziehung besonders schwer wiege. Die Richterin hatte nie richtig
       geprüft, ob der Georgier überhaupt ausreisepflichtig war und ob ihm der
       entsprechende Beschluss bekanntgemacht wurde.
       
       Ob der Mann nun ausreisepflichtig war oder nicht, das ließen die
       Verfassungsrichter letztlich offen. Ihnen ging es um die schlampige
       Arbeitsweise des Gerichts. Es sei „nicht im Ansatz“ seiner Prüfungspflicht
       nachgekommen. Dabei war die Sache nur mäßig eilig, weil noch fünf Tage
       vergingen bis der Georgier aus den Niederlanden nach Deutschland zurückkam.
       
       Anwalt Fahlbusch erkennt in solchen Nachlässigkeiten System. Er habe in den
       letzten fünf Jahren immerhin zehn Mal erfolgreiche Verfassungsbeschwerde
       gegen das Land Niedersachsen eingelegt. Nach seiner Statistik sind rund 40
       Prozent aller Anordnungen von Abschiebehaft rechtswidrig. Angesichts von
       durchschnittlich 27 Tagen in der Abschiebehaft seien hier wohl „Tausende
       von rechtswidrigen Hafttagen“ zusammengekommen.
       
       6 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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