URI: 
       # taz.de -- Volksbegehren: S-Bahn profitiert von Verspätung
       
       > Die zweite Stufe des S-Bahn-Volksbegehrens kommt frühestens 2013. Die
       > Initiative glaubt, dass der Senat den Vertrag verlängert - das würde auch
       > ihr nutzen.
       
   IMG Bild: Auf dem Weg in die Privatisierung? Oder in den Schoß der Kommune?
       
       Die Initiative S-Bahn-Tisch rechnet damit, dass die Senatsverwaltung für
       Verkehr den bis 2017 laufenden Vertrag mit der S-Bahn verlängern muss – um
       mindestens ein Jahr, wahrscheinlich sogar länger. Man habe Informationen
       aus der Verkehrsverwaltung, dass es derzeit konkrete Vorbereitungen dazu
       gebe, sagt Rouzbeh Taheri, Sprecher der Initiative, am Montag. Hintergrund
       sei, dass frühestens 2018 oder 2019 die für eine erfolgreiche
       Teilausschreibung benötigten Züge für das Berliner S-Bahn-Netz
       fertiggestellt seien. Die Initiative steht hinter dem Volksbegehren „Rettet
       die S-Bahn“, für das 30.000 Berliner unterschrieben haben.
       
       Eine Verlängerung des S-Bahn-Vertrags wäre vielleicht sogar „vernünftig“,
       betonte Taheri, weil alle Beteiligten Spielraum gewännen. Allerdings solle
       Verkehrssenator Michael Müller (SPD) dies dann auch zugeben. Müllers
       Sprecherin Daniela Augenstein wies die Darstellung der Initiative auf
       Anfrage zurück: „Wir arbeiten nicht daran, wie man den S-Bahn-Vertrag
       verlängern könnte.“ Derzeit sei noch unklar, wie lange Zugunternehmen
       bräuchten, um die für die S-Bahn benötigten Fahrzeuge herzustellen.
       
       Seit Anfang Februar hat die Debatte um die Zukunft der S-Bahn, die seit
       mehreren Jahren nicht im vereinbarten Umfang verkehrt, wieder an Fahrt
       aufgenommen. Erst kündigte Senator Müller an, das Vergabeverfahren
       zumindest für Teile der Strecken werde im Juli beginnen und knapp zwei
       Jahre dauern. Mitte März solle die Ausschreibung im Senat diskutiert
       werden. Zudem wurden die Anforderungen für die Fahrzeuge veröffentlicht –
       „damit wir schnell herausfinden, wann die Züge fertig wären“, so Sprecherin
       Augenstein.
       
       Tags darauf lehnte der Senat das vom S-Bahn-Tisch vorangetriebene
       Volksbegehren zur S-Bahn jedoch ab und entschied, dessen Zulässigkeit vom
       Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen. Die Initiative will die
       (Teil-)Privatisierung der S-Bahn, wie sie der rot-schwarze Senat plant,
       verhindern und hatte dafür die erste Stufe des Volksbegehrens erreicht.
       Anfang März schließlich veröffentlichte der Senat überraschend den
       Verkehrsvertrag mit der S-Bahn.
       
       Die Forderung nach Offenlegung des Vertrags ist Teil des Volksbegehrens.
       Für Taheri ist die Veröffentlichung nun doppelt wertvoll. Zum einen
       begrüßte der Sprecher das Entgegenkommen des Senats. Zum anderen nutzte ihm
       dies dabei, zu zeigen, dass das Volksbegehren verfassungsgemäß ist. So
       argumentiere der Senat in seiner Vorlage an das Verfassungsgericht von Ende
       Februar mehrfach damit, dass zur Erfüllung des Begehrens der Vertrag mit
       der S-Bahn öffentlich sein müsse. Dass die Erfüllung nicht möglich sei,
       habe der Senat wenig später durch sein Handeln selbst widerlegt.
       
       Inhaltlich ist der Vertrag aufschlussreich, so Taheri. So seien viele
       Details nicht verbindlich festgelegt – etwa die Zahl des Personals in
       Werkstätten. Dadurch sei es der S-Bahn erst möglich geworden, diese zu
       schließen. Fehlende Werkstattkapazitäten gelten allgemein als ein Grund für
       das Chaos bei der S-Bahn.
       
       ## Das Gericht entscheidet
       
       Inhaltlich liegen Initiative und Senat über Kreuz. Letzterer hat dabei
       derzeit die besseren Karten. Durch die Überprüfung des Volksbegehrens vor
       dem Verfassungsgericht kann die Sammlung von rund 172.000 Unterschriften
       nicht in Kürze starten. Vielmehr rechnet Taheri damit, dass dies frühestens
       Anfang 2013 passieren wird – wenn das Begehren nicht zumindest teilweise
       vom Gericht kassiert wird.
       
       Michael Efler, Sprecher des Vereins Mehr Demokratie, forderte den Senat
       deswegen auf, in Sachen S-Bahn „keine unwiderruflichen Tatsachen zu
       schaffen“ und dem Volksbegehren eine Chance zu lassen. „Sonst wäre es ein
       Schlag ins Gesicht der politischen Kultur“. Gut möglich also, dass sich
       bald alle darüber freuen, wenn der Vertrag mit der S-Bahn tatsächlich noch
       mal verlängert werden sollte.
       
       5 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA