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       # taz.de -- Neubau verzögert sich: Blockierter Abriss
       
       > Soziale Erhaltungsverordnungen sollen Mieter vor Verdrängung schützen. In
       > Ottensen durchkreuzt das Instrument schon vor Inkrafttreten Neubaupläne.
       
   IMG Bild: Objekt der Investorenbegierde: Ob hier abgerissen und neu gebaut werden darf, ist offen.
       
       Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Haus in der Ottenser
       Hauptstraße kaum von den benachbarten. Hier ein Laden für Wein und
       Feinkost, da einer für exklusive Damenmode. Doch die abgeblätterte Farbe an
       der Fassade, die mit drei Geschossen vergleichsweise niedrige Höhe und ein
       Schild, das einen Ausverkauf verkündet, deuten es an: Dieses Gebäude ist
       dem Abriss geweiht.
       
       Das dachte sich zumindest der Investor Winfried Gretemeier, als er das Haus
       vor drei Jahren erwarb. Seine Pläne für einen Neubau sehen auf fünf
       Geschossen plus einem Staffelgeschoss bis zu neun neue Wohnungen vor. Dem
       Vorhaben Gretemeiers könnte nun eine Soziale Erhaltungsverordnung in die
       Quere kommen: Für das Ottenser Osterkirchenviertel, an dessen Rand sich das
       Grundstück befindet, hat der Senat ein Aufstellungsverfahren eingeleitet.
       
       Als städtebauliches Instrument gilt die Erhaltungsverordnung als Antwort
       auf den Protest gegen steigende Mieten und die Verdrängung vorhandener
       BewohnerInnen. Inzwischen sind die ersten Verordnungen auf St. Pauli, in
       St. Georg und in der südlichen Neustadt in Kraft. In weiteren
       „Szenevierteln“ wie der Schanze und Teilen von Altona sind Verordnungen auf
       den Weg gebracht. Ziel ist es, Aufwertungsmaßnahmen, die über den
       gebietsüblichen Standard hinausgehen, sowie die Umwandlung von Miet- in
       Eigentumswohnungen zu verhindern, um die Struktur der Wohnbevölkerung zu
       erhalten.
       
       Bislang gilt in Ottensen noch keine Soziale Erhaltungsverordnung. Aber die
       von der Stadt mit der Prüfung beauftragten Gutachter haben empfohlen, dass
       sich das ändert. Bis es dazu kommt, hat das Bezirksamt die Möglichkeit,
       Bauanträge für ein Jahr zurückzustellen. Eine abschließende Prüfung
       erfolgte dann, nachdem die Verordnung erlassen wäre. Dadurch soll
       verhindert werden, dass das Amt während der Untersuchungsphase von Anträgen
       überrollt wird, die den Planungszielen zuwiderlaufen.
       
       „Der Bauausschuss soll sich abschließend mit der Frage der Zurückstellung
       befassen“, sagt Kerstin Godenschwege, Sprecherin des Bezirksamtes. Nach
       taz-Informationen hat der Planungsausschuss einem entsprechenden Vorschlag
       des Amtes bereits zugestimmt.
       
       Christian König betreibt den Weinladen im Erdgeschoss des Hauses in der
       Ottenser Hauptstraße und ist von der Maßnahme nicht so recht überzeugt. „Es
       ist ja schön, dass sich hier jemand um den sozialen Erhalt kümmert“, sagt
       er. Aber die Verordnung kommt aus seiner Sicht ein bisschen spät – der Zug
       sei doch längst abgefahren. Außerdem gehe es in diesem Fall ja nicht um
       einen Altbau mit günstigem Wohnraum, sondern um gerade mal zwei Wohnungen,
       die in schlechtem Zustand seien.
       
       Der Weinhändler räumt nun erstmal sein Lager. Im Mai will er vorübergehend
       neue Räume am nahe gelegenen Spritzenplatz beziehen. Bis vor Kurzem
       beherbergten die noch einen der letzten Plattenläden im Stadtteil. Wenn das
       neue Haus erst fertig ist, will König wieder in die Ottenser Hauptstraße
       zurückziehen.
       
       Investor Gretemeier kündigt an, er werde es nicht auf sich beruhen lassen,
       sollte sein Bauantrag abgelehnt werden. Weil die bestehenden Mietverträge
       demnächst auslaufen, wird das Haus bis zur abschließenden Klärung wohl für
       einige Zeit leer stehen.
       
       4 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lena Kaiser
   DIR Lena Kaiser
       
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