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       # taz.de -- Was eine „Reichensteuer“ kann: Wir brauchen Ihr Geld
       
       > Francois Hollande liegt mit seiner 75-Prozent-Spitzensteuer im
       > internationalen Trend: Nach Ende der neoliberalen Ära wird den Reichen
       > nun wieder mehr genommen.
       
   IMG Bild: Dem weit verbreiteten Gefühl der Ungerechtigkeit können höhere Steuern für Spitzenverdiener entgegenwirken.
       
       Ja, Sozialismus! Endlich will der Spitzenkandidat die Einkommen der Reichen
       konfiszieren, zumindest den Teil, der eine Million Euro jährlich
       übersteigt. Sozialist Francois Hollande hat erklärt, im Falle seiner Wahl
       zum französischen Staatspräsidenten, Großverdienern einen Spitzensteuersatz
       von 75 Prozent aufzubrummen. Besteht die Chance, dass er das wirklich macht
       oder ist das ein Wahlkampf-Gag?
       
       Sollte Hollande die Wahl gewinnen, werden ihm seine Manager- und
       Vorstandsfreunde, die er vom gemeinsamen Eliteuni-Studium kennt, mit aller
       gebotenen Zurückhaltung erklären, dass eine derartige Steuererhöhung nicht
       opportun sei. Vielleicht werden dabei auch dezente Hinweise auf
       Informationen eine Rolle spielen, die Hollande keinesfalls im Satireblatt
       Canard Echainé lesen möchte.
       
       Wie dem auch sei – dazu, dass Spitzenverdiener drei Viertel ihres
       Einkommens beim Finanzamt abgeben, wird es nicht kommen. Weder in
       Frankreich, noch in Deutschland, Großbritannien oder den USA. Trotzdem aber
       steht der Präsidentschaftskandidat nicht alleine. Im vergangenen September
       brachte das britische Magazin The Economist seine Titelstory „Jagd auf die
       Reichen“. Auf dem Coverbild führte Obama hoch zu Ross mit Trompete und
       Reitkappe die Meute an. Auch in Berlin, London und vielen anderen
       Hauptstädten gibt es die Bestrebung, Wohlhabende und Reiche stärker zur
       Finanzierung der öffentlichen Aufgaben heranzuziehen.
       
       Diese Debatte ist Teil eines langen Zyklus, wie Ökonom Stefan Bach vom
       Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung erklärt. In den 1920er und
       1930er Jahren stiegen die Steuersätze nicht nur für hohe Einkommen.
       Schließlich ging es auch darum, den Zweiten Weltkrieg zu finanzieren. Nach
       1945 behielt man diese Politik oft bei, denn der Wiederaufbau war ebenfalls
       teuer. In der neoliberalen Ära ab den späten 1970er Jahren entlasteten
       viele Regierungen ihre Eliten dann aber spürbar – ein Trend, der sich in
       Deutschland erst unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer voll
       entfaltete.
       
       ## 
       
       ## Weit verbreitetes Gefühl der Ungerechtigkeit
       
       Und nun steigen die Einkommensteuern vielerorts wieder. Unter anderem
       Frankreich, Luxemburg, Italien, Portugal und Spanien haben bereits den
       Spitzensteuersatz erhöht. Großbritannien war am Konsequentesten: Dort
       kletterte der höchste Steuertarif um 10 auf 50 Prozent.
       
       Das ist eine Reaktion auf zwei Umstände. Einerseits hat durch die teilweise
       Deregulierung der vergangenen Jahrzehnte auch in wohlhabenden Staaten die
       soziale Spaltung in Arm und Reich zugenommen. Dem weit verbreiteten Gefühl
       der Ungerechtigkeit können höhere Steuern für Spitzenverdiener
       entgegenwirken. Außerdem droht mancher Regierung die Staatspleite, die
       gesamte Euro-Zone hat deshalb Probleme. Eine Abhilfe kann hier sein, den
       Bürger mehr Abgaben abzuverlangen – auch den obersten fünf Prozent der
       Einkommenshierarchie.
       
       Wobei einige Staaten in dieser Hinsicht durchaus Nachholbedarf haben
       gegenüber anderen. In Deutschland beispielsweise liegt der
       Spitzensteuersatz alles in allem bei 47,5 Prozent. In den USA sind es
       vergleichweise moderate 41,7 Prozent.
       
       ## Abgaben auf Besitz erhöhen
       
       Der Economist hat ausgerechnet, wieviel Geld ein Großverdiener
       (verheiratet, keine Kinder, eine Million Jahreseinkommen plus dickes
       Aktiendepot) in verschiedenen Metropolen nach Steuern zur Verfügung hat: In
       Hong Kong sind es fast 900.000 Dollar, in den USA je nach Bundesstaat
       zwischen 600.000 und 700.000 Dollar, in Berlin etwa 550.000 Dollar. Eine
       wichtige Rolle spielen dabei die Steuern auf Kapital und Vermögen, die in
       den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls tendenziell gesunken sind. Selbst die
       Experten des Industrieländer-Clubs OECD raten deshalb dazu, die Abgaben auf
       Besitz zu erhöhen.
       
       Und was tut Deutschland? Hier ist die Steuerdebatte gespalten. Während SPD
       und Grüne sich darauf einigen können, die Belastung in Falle eines Sieges
       nach der nächsten Bundestagswahl zu erhöhen, versucht die amtierende
       Regierung immer noch, das Gegenteil durchzusetzen. Am Donnerstag
       debattierte der Bundestag erstmals das Gesetz für eine neuerliche
       Steuersenkung.
       
       CDU, CSU und FDP haben den Schuss noch nicht gehört. Zumindest bei der
       Union könnte sich das nach der nächsten Wahl aber ändern,
       koalitionsbedingt.
       
       1 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannes Koch
       
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