URI: 
       # taz.de -- Kommentar Völkermord: Haltlose Improvisation in Paris
       
       > Die französischen Gesetzgeber wollten den armenisch-stämmigen Wählern
       > entgegenkommen. Stattdessen haben sie sich ein Eigentor geschossen.
       
       Leichtfertig haben die französischen Parlamentarier ein Gesetz auf den Weg
       gebracht, das die Leugnung des Völkermords an den Armeniern unter Strafe
       stellen sollte. Prompt hat das Verfassungsgericht den Entwurf jetzt
       kassiert.
       
       Zwar habe der Gesetzgeber durchaus das Recht, gegebenenfalls die
       Meinungsäußerung einzuschränken, doch in diesem konkreten Fall sei dies
       unverhältnismäßig, sagen die Richter.
       
       Die französischen Gesetzgeber wollten den im Präsidentschaftswahlkampf von
       allen Parteien umworbenen armenisch-stämmigen Wählern entgegenkommen.
       Stattdessen haben sie sich ein Eigentor geschossen, über das der türkische
       Premierminister Erdogan mitsamt allen Nationalisten nur jubeln kann.
       
       Und die Armenier in Frankreich, die dieses Gesetz unbedingt wollten und
       dafür sehr zum Ärger der Türken in Paris auf die Straße gingen, sie stehen
       nun als Verlierer da. Sie teilen dieses Los mit ihren Landsleuten, aber
       auch allen Demokraten in der Türkei, die sich vergeblich für eine weniger
       ideologische Herangehensweise zur tragischen Geschichte von 1915/16
       eingesetzt hatten.
       
       Leider haben sich die Verfassungsrichter mit ihrem Urteil nicht zur Frage
       geäußert, ob man den von Frankreich offiziell anerkannten Genozid straflos
       leugnen oder in herabsetzender Weise verharmlosen darf.
       
       Das könnte unschöne Folgen haben. Warum, wird es unweigerlich aus
       Neonazi-Kreisen heißen, ist es dann weiterhin verboten, den Holocaust zu
       leugnen, nicht aber den Völkermord im Osmanischen Reich oder in Ruanda?
       Dazu muss nun dringend eine Klärung nachgereicht werden.
       
       Das Pariser Parlament hat den Streit begonnen, es muss ihn nun auch zu
       einem befriedigenden Ende bringen. Das Thema ist zu wichtig, als dass man
       sich einfach mit dem Veto gegen ein mal eben improvisiertes Gesetz abfinden
       kann.
       
       28 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR 97. Jahrestag Genozid an Armeniern: Der Tod in deutschem Interesse
       
       Deutschlands Rolle beim Genozid an den Armeniern war nicht nur die eines
       Zuschauers. Um keinen Preis sollte das Bündnis mit der Türkei in Gefahr
       geraten.
       
   DIR Unterstützte armenische Forschung: Die türkischen Oskar Schindler
       
       Die Hrant-Dink-Stiftung in Istanbul sucht „Gerechte“ aus der Zeit des
       Völkermordes an den Armeniern. Ein Gespräch mit dem Genozidforscher Taner
       Akcam.
       
   DIR Französisches Völkermord-Gesetz gekippt: Verstoß gegen Meinungsfreiheit
       
       Die Leugnung des Völkermords an den Armeniern darf nicht unter Strafe
       gestellt werden. Das Völkermord-Gesetz wurde vom französischen
       Verfassungsrat gekippt.
       
   DIR Kommentar Gedenken in der Türkei: Missbrauchter Mord
       
       Seit Jahren hat es keinen Aufmarsch von dieser Größe gegeben. Und dies nur,
       um den "Vorwurf" des Völkermordes und die "armenischen Lügen"
       zurückzuweisen.
       
   DIR Demonstrationen in der Türkei: Revanche der Nationalisten
       
       Zehntausende demonstrieren in Istanbul gegen die "Lüge vom Völkermord an
       den Armeniern". Im Zentrum der Kritik steht Nicolas Sarkozy.
       
   DIR Debatte Armenien: Vergiftung der Begriffe
       
       Frankreichs Genozid-Gesetz ist von großer Tragweite. Der Staat hat nicht
       die Aufgabe, historische Wahrheiten festzuschreiben. Sarkozys Populismus
       hat Folgen.
       
   DIR Kommentar Genozid-Gesetz Frankreich: Rückschlag für die Armenier
       
       Frankreichs Parlament hat entschieden, die Leugnung des Völkermordes an den
       Armeniern unter Strafe zu stellen. Da stellt sich die Leninsche Frage: Wem
       nützt es?