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       # taz.de -- 61. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: "Wir waren erfolgreich"
       
       > Aus Telefonaten mit seinen Kollegen in der FDLR-Führung geht hervor, wie
       > unnachgiebig FDLR-Präsident Murwanashyaka auf die militärische Schwächung
       > seiner Miliz 2009 reagierte.
       
   IMG Bild: Der angeklagte FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka.
       
       STUTTGART taz | Am 19. Januar 2009, kurz vor dem Beginn der gemeinsamen
       kongolesisch-ruandischen Militäroperation „Umoja Wetu“ im Ostkongo gegen
       die FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), telefonierte
       FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka in Mannheim mit FDLR-Exekutivsekretär
       Callixte Mbarushimana in Paris – der als FDLR-Führungsmitglied von Oktober
       2010 bis Ende 2011 in Den Haag in Gewahrsam des Internationalen
       Stafgerichtshofs saß.
       
       Es ging bei dem Telefonat, das am 22. Februar vor dem OLG Stuttgart
       verlesen wurde, um die Haltung der FDLR zu der bevorstehenden gemeinsamen
       Armeeoperation Kongos und Ruandas – die das Ende des bis dahin faktisch
       bestehenden Bündnisses zwischen FDLR und Kongo gegen Ruanda markierte.
       
       Fünf Tage vorher, am 14. Januar 2009, hatte die FDLR eine von Mbarushimana
       unterzeichnete Presseerklärung veröffentlicht, die „jede Kriegserklärung“
       ablehnte.
       
       „Die FDLR bleiben davon überzeugt, dass die Zeit zur Anwendung von Gewalt
       zur Lösung eines politischen Problems vorbei ist, und laden Kongos
       Regierung und Ruandas Regime dazu ein, kriegerische Sprache
       bleibenzulassen.“
       
       Ein von einem ungenannten Berater der FDLR verfasster Entwurf zu einer
       zweiten Erklärung, das geht aus dem Gespräch zwischen Murwanashyaka und
       Mbarushimana hervor, ging den beiden deutlich zu weit, weil er zu friedlich
       war.
       
       „Folglich erklärt die FDLR, offiziell die Waffen freiwillig niederzulegen
       und ohne Vorbedingungen - das ist unmöglich!“ schimpft Mbarushimana. „Das
       ist ihr Entwurf? Das heißt nicht, dass wir ihn wirklich nehmen sollen wie
       er ist“, antwortet Murwanashyaka. „Wir haben mit Musoni zusammengesessen
       und besprochen was wir sagen werden.“
       
       Der FDLR-Präsident schlägt vor: „Wir sollten in diesem Moment sagen: OK,
       ist gut dass Kinshasa sich mit Rebellen einigt, auch wenn wir verurteilen
       was daraus geworden ist; aber Kigali soll akzeptieren und sich mit uns
       einigen“.
       
       ## Makabere Pläne
       
       Im Rahman vonm „Umoja Wetu“ hatte Kongos Regierung Frieden mit der
       Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) von
       Tutsi-General Laurent Nkunda geschlossen.
       
       Und weiter, so Murwanashyaka: Es dürfe nicht der Eindruck bei den
       „Abacunguzi“ (FDLR-Kämpfern) entstehen, dass die FDLR Angst vor dem Krieg
       hat und den Weg ändern möchte.... Die Leute sollen nicht abgelenkt werden,
       keine Initiativen von rechts und links, weil einige davon das Ziel haben,
       zu sagen, dass der Krieg nicht mehr stattfindet.“
       
       Zwei Tage später, am 21. Januar, veröffentlicht die FDLR tatsächlich eine
       Presseerklärung, die deutlich weniger versöhnlich klingt als die vom 14.
       Januar. Kongos und Ruandas Regierungen seien im Begriff, die „Völker des
       Afrika der Großen Seen auszulöschen“, und wer auch immer diese „makabren“
       Pläne ausgeheckt habe, „muss verstehen, dass diese Handlungen nicht
       unbestraft bleiben werden und dass sie früher oder später vor Gericht für
       alle die ernsten Konsequenzen geradestehen werden müssen, die aus diesem
       Krieg folgen“.
       
       ## „Wir müssen sie weiter misshandeln“
       
       Die Operation „Umoja Wetu“ endete im Februar. Danach folgten weitere rein
       kongolesische Armeeoperationen gegen die FDLR, auf die diese mit blutigen
       Racheangriffen auf die Zivilbevölkerung antwortete – allen voran die
       Zerstörung des Ortes Busurungi in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 2009. Am
       15. Mai telefonierte Murwanashyaka darüber mit General Mudacumura,
       FDLR-Militärchef im Kongo.
       
       „Wir machen immer noch weiter, der Kampf hat sich intensiviert“, berichtet
       Mudacumura.
       
       „Es ist nicht einfach. Sie haben immer noch Angst, den Süden (Süd-Kivu)
       anzugreifen. Zivilisten fliehen das Schlachtfeld, so haben wir geplant, im
       Norden geht es weiter, es entwickelt sich gut. Außer diese Pareco-Leute
       (Kongolesische Widerstandspatrioten – kongolesische Hutu-Miliz, die sich in
       die Armee eingegliedert hatte), sie setzen Häuser in Brand und was weiß
       ich, vielleicht um es uns zuzuschieben“.
       
       ## „Wir machen weiter“
       
       „Was Verleumdungen gegen uns betrifft: Wir müssen sie weiter misshandeln,
       damit wir zeigen, dass wir noch da sind“, sagt Murwanashyaka. Seine
       Verteidigung im OLG Stuttgart beanstandet diese Übersetzung: statt
       „misshandeln“ müsse es „Schlappe zufügen“ heißen.
       
       “Ja, wir machen weiter“, sagt Mudacumura. „Wir haben es auch so in
       Busurungi gemacht. Wir waren erfolgreich. Wir haben Ernte gemacht.“
       
       “Sie werden irgendwann Verhandlungen akzeptieren“, hofft Murwanashyaka.
       
       „Sie können uns auch töten“
       
       Ein weiteres Telefonat vom 22. Juni 2009 zwischen Murwanashyaka und seinem
       ebenfalls in Stuttgart angeklagten Vize Straton Musoni zeigt, wie
       unnachgiebig und kämpferisch die FDLR-Führung da noch auftritt.
       
       ## Vermittlungsbemühungen
       
       „Wir sind im Krieg“, sagt der FDLR-Präsident im Zusammenhang mit
       Vermittlungsbemühungen der katholischen Kirche, unter anderem mit dem
       katholischen Menschenrechtler Rigobert Minani.
       
       „Sie haben den Krieg erklärt und du sagst, du legst die Waffe nieder als
       Geste? Da habe ich gesagt, dass das wirklich nicht zählt“, so
       Murwanashyaka.
       
       „Sie können uns auch töten wenn sie wollen, so habe ich ihm gesagt. Ich bin
       nicht der erste Führer und auch nicht der letzte... Diese Angelegenheit
       bezüglich unserer Inhaftierung, ich habe gesagt, das macht uns wirklich
       keine Angst.“
       
       Musoni will wissen, wie er im Rahmen von Sondierungen die Haltung
       Murwanashyakas wiedergeben soll.
       
       Der erklärt es ihm: „Sie bekommen folgende Informationen: Das sie die FDLR
       zermalmt haben, sie wurde umzingelt, es ist eine Frage der Zeit, dass alle
       verwirrt sind und nach Hause gehen. Das kann zehn Jahre dauern, ohne dass
       wir verwirrt sind, oder auch zwanzig Jahre“
       
       ## Die FDLR ist umzingelt
       
       Die kongolesische Regierungsseite habe ihm gesagt: „Eure Angelegenheit ist
       bald beendet, ihr seid belagert, verhandelt ein Friedensabkommen bevor ihr
       ausgerottet werdet; die kongolesischen Offiziere sagten das, sie sagen die
       FDLR ist umzingelt. Ich habe ihnen die Wahrheit gesagt: Sechs Monate
       nachdem sie mit dem Krieg begonnen haben, haben wir mehr Material als wir
       im Jahr 2000 hatten“.
       
       Das Angebot, ruandische Flüchtlinge nach Ruanda zurückzubringen, sei
       uninteressant: „Unsere Soldaten sind die, die uns interessieren. Wir
       sprechen nicht über Entwaffnung... Wir sind jetzt schwach, das stimmt. Wenn
       ihr euch aber irrt, und die FPR (Ruandas Regierungspartei von Präsident
       Paul Kagame) ist in zehn Jahren nicht mehr an der Macht, weden die
       Überlebenden kommen und ihr werdet schwerwiegende Probleme haben.“
       
       Außerdem fülle die FDLR ihre Ränge beständig auf: „Wir rekrutieren jeden
       Tag. Ich bekomme jeden Tag eine Liste mit hundert Namen, die Ruanda
       verlassen wollen. Wir haben kein Problem mit der Rekrutierung.“
       
       Redaktion: Dominic Johnson
       
       28 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bianca Schmolze
       
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