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       # taz.de -- Chinesisches Militär vor Somalia: Kalter Krieg um Versorgungswege
       
       > Chinas Militärbasispläne auf den Seychellen verändern die Machtbalance im
       > Indischen Ozean. Anlass für die Expansion sind die somalischen Piraten.
       
   IMG Bild: Chinesische Soldaten trainieren für den Einsatz gegen Piraten.
       
       BRÜSSEL taz | Die Piraten aus Somalia führen zu geopolitischen Umwälzungen
       im Indischen Ozean: Im Dezember vergangenen Jahres hat die Regierung der
       Seychellen die Volksrepublik China anlässlich eines Besuchs von Pekings
       Verteidigungsminister General Liang Guanglie eingeladen, eine Militärbasis
       auf der Inselrepublik einzurichten.
       
       Sicherheit im Indischen Ozean ist für die Seychellen überlebenswichtig. 40
       Prozent des Nationaleinkommens erwirtschaftet die Fischerei - aber der
       Sektor steckt in der Krise. Die vielen hundert kleinen Inseln der
       Seychellen sind für somalische Freischärler ein willkommenes Rückzugsgebiet
       fern der Heimat.
       
       Seit Anfang 2009 ist die chinesische Kriegsmarine bereits in der Region
       präsent. Sie beteiligt sich mit fregattengestützten Raketen und maritimen
       Spezialkräften an den internationalen Einsätzen gegen die somalische
       Piraterie. Dabei agiert China mitunter anders als die anderen Kämpfer gegen
       die Seeräuber, meint der Journalist Nicolas Gros-Verheyde: "Die Chinesen
       scheuen nicht, direkt das Feuer auf Schiffe zu eröffnen, auf denen sie
       Piraten vermuten."
       
       Nach Angaben der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua soll die neue Basis
       auf den Seychellen die Versorgung und Wartung der Einsatzkräfte Pekings
       erleichtern - so wie bereits bestehende Einrichtungen in Dschibuti, Oman
       und Jemen.
       
       ## Die Versorgungswege schützen
       
       Die neue Basis, die 730 Seemeilen von Somalias Hauptstadt Mogadischu
       entfernt entstehen soll, soll auch die wichtigsten Versorgungswege
       schützen, über die China Rohstoffe aus Afrika erhält, so Martin Pavlus,
       juristischer Mitarbeiter der EU-Kommission. Das sei für Peking ebenso
       wichtig wie die offiziellen Gründe für das Militärengagement: die Förderung
       des Multilateralismus und der Wunsch, als verantwortungsbewusst
       wahrgenommen zu werden.
       
       Vor Somalia kreuzen sich die wichtigsten Seehandelsrouten, die Europa,
       Afrika und Asien miteinander verbinden. In dieser Zone beharken sich viele
       auswärtige Mächte. Solange die USA, Iran oder Indien in der Lage sind,
       Handelsrouten aufgrund eigener Interessen zu schließen, muss auch China in
       der Lage sein, an verwundbaren Punkten einzugreifen, meinen laut Pavlus
       chinesische Strategieexperten.
       
       Der EU-Rechtsberater sieht eine Verbindung zwischen den chinesischen
       Seychellen-Plänen und den immer wiederkehrenden Mutmaßungen, dass von China
       gebaute Hafenanlagen auf den Malediven, in Sri Lanka oder Bangladesch auch
       militärischen Zwecken dienen könnten. Auch Pakistan soll Peking eingeladen
       haben, seine Marinebasis Gwadar mit zu benutzen. Offiziell unterhält China
       keine Militärbasen außerhalb seines Staatsgebiets.
       
       ## Thunfischkutter und Luftraumüberwachung
       
       Die Seychellen arbeiten mit vielen Ländern militärisch zusammen. Spanien,
       dessen Thunfischkutter im Indischen Ozean unterwegs sind, bildet seit 2010
       die Küstenwache des Inselstaates aus. Die Vereinigten Staaten beteiligen
       sich an der Luftraumüberwachung.
       
       Indiens Marine hält ein Überwachungsflugzeug auf den Seychellen stationiert
       und sprach kurz vor dem Besuch des chinesischen Verteidigungsministers mit
       der Regierung über gemeinsame Militäroperationen gegen Somalias Piraten.
       Vor diesem Hintergrund sei die Einladung an Peking "eine Unbehagen
       erregende Geste", schrieb die Times of India. Die Volksrepublik hat
       Atom-U-Boote, und die will man nicht nahe der indischen Gewässer haben.
       
       Nicht weniger interessant als die Handelswege im Indischen Ozean ist der
       Ozeanboden selbst, der voller seltener Rohstoffe steckt. Die
       UN-Tiefseebehörde ISA, die für die Nutzung mineralischer Ressourcen in
       Seegebieten außerhalb nationaler Gewässer zuständig ist, hat vor Kurzem mit
       China ein Abkommen über die Ausbeutung eines 10.000 Quadratkilometer großen
       Gebietes im Südwesten des Indischen Ozeans über die nächsten 15 Jahre
       geschlossen.
       
       23 Feb 2012
       
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