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       # taz.de -- Friedensbemühungen für Somalia: "Wie Afghanistan 2001"
       
       > Seit Jahrzehnten tobt in Somalia Krieg, Piraten und Islamisten finden
       > ideale Bedingungen. Das soll sich jetzt ändern. Die Briten rufen zur
       > großen Somalia-Konferenz.
       
   IMG Bild: Shabaab-Miliz in Mogadischu.
       
       BERLIN taz | Zwanzig Jahre lang sind alle Friedensbemühungen für Somalia
       gescheitert. Am Donnerstag kommen in London 44 Länder, die Afrikanische und
       die Europäische Union, die UNO und die Arabische Liga sowie alle
       somalischen Konfliktparteien unter Vorsitz der britischen Regierung zur
       größten Somalia-Konferenz der Welt zusammen. Einzige Ausnahme: die
       radikalen Islamisten.
       
       "Es ist der einzige Weg, somalisches Vertrauen in international geführte
       Bemühungen zum Friedens- und Staatsaufbau wiederherzustellen", sagt Rashid
       Abdi, somalischer Analyst, über das eintägige Treffen. Die Somalis seien
       skeptisch, was die internationale Gemeinschaft angeht, aber "es besteht die
       Hoffnung, dass London anders wird".
       
       Somalia ist geteilt, seit Rebellen Anfang 1991 den Militärdiktator Siad
       Barre stürzten - und sich dann zerstritten. Bisher hat internationales
       Eingreifen die Konflikte nur verschlimmert. Seit 2009 amtiert in der
       Hauptstadt Mogadischu eine schwache Übergangsregierung. Sie wird von einer
       afrikanischen Eingreiftruppe "Amisom" gegen die mächtigen islamistischen
       Shabaab-Milizen unterstützt, die den Großteil Südsomalias kontrollieren.
       Der Nordteil des Landes spaltete sich als Somaliland bereits vor zwanzig
       Jahren ab.
       
       Dass die Übergangsregierung Südsomalia nicht im Griff hat, ist ein
       Hauptgrund dafür, warum somalische Piraten ungestört agieren und die
       radikal-islamistischen Shabaab als Speerspitze des internationalen
       Dschihadismus auftreten. Shabaab-Anhänger haben Anschläge in Uganda und
       Kenia verübt. Sie sehen sich als Teil al-Qaidas und rekrutieren angeblich
       unter der 250.000 Menschen zählenden somalischen Exilgemeinschaft in
       Großbritannien.
       
       "Der Grund, sich heute um Somalia zu kümmern, ist der gleiche wie in
       Afghanistan 2001", schreibt der britische ehemalige UN-Untergeneralsekretär
       Mark Malloch-Brown.
       
       ## Shabaab sollen außen vor bleiben
       
       Bisher setzte das Ausland beim Kampf gegen die Shabaab darauf, die
       Übergangsregierung in Mogadischu zu stärken. Aber weil diese sich in den
       drei Jahren ihres Bestehens kaum Vertrauen erarbeitet hat, geht
       Großbritannien nun einen anderen Weg. Das Mandat der Übergangsinstitutionen
       läuft im August aus "und sollte nicht erneuert werden", sagte der britische
       Außenminister William Hague. Stattdessen soll "der politische Prozess in
       Somalia breiter und repräsentativer werden".
       
       Das bedeutet: nicht wie bisher so vielen Parteien wie möglich die
       Zustimmung zu einer mächtigen Zentralregierung abzuringen, die dann nicht
       funktioniert. Sondern die bestehenden faktischen Teilregierungen sollen an
       einem verfassungsgebenden Prozess teilnehmen, der zu einem föderalen System
       führt. Dies könnte auch Somaliland interessieren. Außen vor bleiben die
       Shabaab, aber das ist gewollt.
       
       Die britische Regierung plant einen Geberfonds, der lokale Strukturen in
       Somalia unterstützen könnte - ohne die korrupten Institutionen in
       Mogadischu, denen nach Angaben des britischen Außenministeriums nur noch
       geholfen werden soll, "sicherzustellen, dass die Nachfolgestrukturen
       repräsentativ und legitim sind". Das ist Diplomatensprache für eine
       Rücktrittsaufforderung.
       
       Die Übergangsregierung ist daran wenig interessiert und will die Londoner
       Konferenz eher dafür nutzen, sich selbst zu stärken. Einen "Marshall-Plan"
       für Somalia forderte Premierminister Abdiweli Mohamed Ali am Dienstag in
       Brüssel. Seine Regierung kontrolliere gemeinsam mit Puntland "70 bis 80
       Prozent" des Staatsgebiets außerhalb Somalilands, Somalia sei auf dem Weg
       "vom Chaos zur Stabilität".
       
       ## Internationale Präsenz verstärken
       
       Wenn das so wäre, würde die Regierung allerdings nicht ständig mehr
       Eingreiftruppen anfordern. Die von Uganda, Burundi und Dschibuti gestellte
       AU-Truppe Amisom sollte noch Mittwoch Abend vom UN-Sicherheitsrat in New
       York von 12.000 auf bis zu 17.731 Soldaten vergrößert werden. Dazu kommen
       Truppen aus Äthiopien und Kenia, die die Shabaab im Süden des Landes
       zurückdrängen. Das Amisom-Mandat soll auch auf den Schutz einer
       internationalen Präsenz in Somalia erweitert werden.
       
       Dies gilt als Signal für eine verstärkte internationale Präsenz in
       Mogadischu. Eine Festlegung darauf ist eines der offiziellen
       Konferenzziele. Aus britischer Sicht sollten die Marinemissionen gegen
       Somalias Piraten Modell stehen für internationale Zusammenarbeit gegen die
       Shabaab - sobald Somalia eine bessere Regierung hat.
       
       Denn sosehr Afghanistan 2001 auch Vorbild für Somalias 2012 sein mag: Die
       Fehler von Kabul mag man in Mogadischu nicht wiederholen.
       
       Mitarbeit: François Misser
       
       23 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
   DIR Somalia
       
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