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       # taz.de -- Die schonungslose Erklärung des Kandidaten: "Ich werde die Zeche bezahlen"
       
       > DFB-Präsidentschaftskandidat Andreas Rüttenauer äußert sich aus gegebenem
       > Anlass zur Vorteilsnahme und den Ermittlungen gegen ihn. Die taz
       > veröffentlicht den exakten Wortlaut.
       
   IMG Bild: Ein Mann tritt aus dem Schatten. DFB-Präsidentschaftskandidat räumt erbarmungslos mit seiner Vergangenheit auf.
       
       IRGENDWO IM NASSKALTEN BERLIN | Während ich über diese Zeilen nachdenke,
       spiele ich mit einem Kugelschreiber, den mir der Verlag der neuen
       deutschsprachigen Fußballzeitschrift Goal in der vergangenen Woche
       zugeschickt hat. Wo bei anderen Kugelschreibern der Knopf zum Herausdrücken
       der Mine ist, befindet sich beim Goal-Kugelschreiber ein Minifußball, der
       sich drehen lässt.
       
       In den Minuten, in denen Christian Wulff seinen Rücktritt erklärt, denke
       ich darüber nach, ob einer, der DFB-Präsident werden will, wirklich gerne
       mit so etwas spielen darf. Mir fällt die gelbe Badeente mit dem Aufdruck
       "Sinsheim" ein, die in dem Geschenkrucksack des Organisationskomitees für
       Journalisten lag, die über die Frauenfußball-WM 2011 berichteten.
       
       Die habe ich während des Turniers einer Freundin übergeben, bei der ich
       übernachtet hatte. Muss ich ein schlechtes Gewissen haben? Darf ich jemals
       wieder über die TSG Hoffenheim schreiben? Wird mir das einer (Niersbach)
       vorwerfen, der unbedingt verhindern möchte, dass ich in die "Machtzentrale
       des deutschen Fußballs" (Mayer-Vorfelder) einziehe?
       
       Dann müsste ich mich schon fragen, in welchem Land ich eigentlich lebe, in
       dem es einem DFB-Präsidentschaftskandidaten nicht erlaubt ist, die private
       Übernachtung bei einer Freundin mit einer Badeente zu bezahlen, die mir der
       Veranstalter eines Events geschenkt hat, über das ich berichtet hatte.
       
       Neben mir auf meinem Schreibtisch liegt noch - originalverpackt in einem
       schwarzen Kunstledersäckchen - der Schminkspiegel, den mir ebenfalls die
       Frauen-WM geschenkt hat. Muss ich ihn zurückschicken? Und wem? Das
       Organisationskomitee hat sich längst aufgelöst.
       
       Wie kritisch, frage ich mich ernsthaft, stehe ich einem Verband wie dem DFB
       gegenüber, der mir über die Jahre etliche Schlüsselbänder, Kugelschreiber
       und Schreibblöcke überlassen hat? Wie frei bin ich in meiner
       Berichterstattung, wenn ich mich vor Fußballländerspielen der deutschen
       Nationalmannschaft im Mercedes-Benz-Sportpresseklub satt esse und mir meine
       Feieradendbiere nach dem Spiel dort spendieren lasse?
       
       Kann ich kritisch über eine Monsterorganisation wie das Internationale
       Olympische Komitee berichten, von der der Rucksack ist, den mein Sohn seit
       mehr als drei Jahren als Schulranzen benutzt? Den habe ich 2008 in Peking
       wie alle anderen akkreditierten Journalisten angeboten bekommen. In der
       schwülen Hauptstadt war ich vor allem für den Miniventilator dankbar, der
       zum Geschenkpaket für die Presse gehörte. Die schwüle chinesische
       Hauptstadt hätte ich ohne das kleine blaue Windrad mit USB-Anschluss nicht
       so gut ertragen.
       
       Und Usain Bolt hätte ich von meinem Platz auch nicht so gut erkannt, hätte
       ich nicht den kleinen Feldstecher benutzt, der ebenfalls zum
       IOC-Gabenrucksack gehörte. Die Frage, ob das Fernglas meine journalistische
       Unabhängigkeit bedroht hat, stelle ich mir als Redakteur. Als
       DFB-Präsidentschaftskandidat frage ich mich eher, ob ich durch die Annahme
       dieser Geschenke schon korrupt genug für ein Führungsamt im Fußball bin.
       
       Das sollen die Delegierten des DFB-Bundestages am 2. März selbst
       beurteilen. Die haben bis dahin vielleicht auch erfahren, dass im Jahr 1994
       einmal gegen mich ermittelt worden ist. Mir wurde die Beschimpfung von
       Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
       nach Paragraf 166 StGB vorgeworfen.
       
       Zu dieser Zeit war ich Mitglied in der Münchner Kabarettgruppe Fernrohr und
       wurde von katholischen Fundamentalisten vor allem wegen eines Programms mit
       dem Titel "Die geile Messe" heftig attackiert. Ich betone an dieser Stelle,
       dass es nie zu einem Verfahren gekommen ist.
       
       Mir ist auch bewusst, dass ein unbezahlter Deckel (ein Bier, zwei Wein) in
       der Kantine der taz bereits von Kollegen fotografiert worden ist. Einer
       entsprechenden Veröffentlichung sehe ich gelassen entgegen und werde mit
       Bezahlung der Zeche darauf reagieren.
       
       17 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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