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       # taz.de -- Ein Jahr Proteste in Bahrain: Die Rückkehr zum Perlenplatz
       
       > Vor einem Jahr haben Aktivisten der Demokratie den Perlenplatz in Manama
       > besetzt. Seitdem rebelliert die schiitische Mehrheit gegen das
       > sunnitische Königshaus.
       
   IMG Bild: Polizisten gehen in der Hauptstadt Manama mit Tränengas gegen Demonstranten vor.
       
       BAGDAD taz | Ein Jahr nach Beginn der Protestwelle sind Demonstranten und
       Polizei in der Golfmonarchie Bahrain erneut heftig aneinandergeraten.
       Augenzeugen berichteten, die Sicherheitskräfte hätten Oppositionelle mit
       Gewalt zurückgedrängt. Hunderte von Demonstranten versuchten demnach am
       Dienstag, in kleineren Gruppen zum Perlenplatz in der Hauptstadt Manama zu
       gelangen, wo die Opposition vor genau einem Jahr ihre Protestaktionen
       begonnen hatte. Sie riefen Parolen gegen König Hamad bin Issa al-Chalifa.
       
       Der König zeigt aus Sicht seiner Kritiker bislang wenig Bereitschaft,
       Zugeständnisse an die Demokratiebewegung zu machen. Als bereits am Montag
       mehrere tausend Aktivisten versuchten, den Perlenplatz in Manama zu
       besetzen, trieb die Polizei die Menge mit Tränengas und Blendgranaten
       auseinander.
       
       Der Verkehrskreisel um das ehemalige Perlenmonument wurde zum Wahrzeichen
       der Protestbewegung, als jugendliche Aktivisten den Platz besetzten.
       Unterstützt von saudischen Truppen, gelang es den Sicherheitskräften zwar,
       den Protest kurzzeitig zu ersticken. Doch seitdem gärt es in dem kleinen
       Inselstaat.
       
       Die schiitische Mehrheit fühlt sich in dem sunnitisch regierten Land als
       Bürger zweiter Klasse. Die Schiiten verlangen ein Ende der Diskriminierung,
       besonders in den Sicherheitskräften, die sich vornehmlich aus Söldnern aus
       Pakistan und arabischen Ländern rekrutieren.
       
       ## Nächtliche Zusammenstöße
       
       Vor allem verlangen sie eine gewählte Regierung, die ihnen ein politisches
       Mitspracherecht sichert.
       
       Seit Wochen kommt es zwischen gewaltbereiten Jugendlichen und Polizisten zu
       nächtlichen Zusammenstößen. Der König hat kurz vor dem Jahrestag eine
       Aktivistin und einen kuwaitisch-kanadischen Staatsbürger, der die Proteste
       unterstützt hatte, freigelassen.
       
       Zudem ernannte er einen Schiiten zum Gesundheitsminister. Das
       Gesundheitswesen, in dem viele Schiiten arbeiten, war im letzten Jahr in
       den politischen Konflikt geraten. Dutzende Ärzte und Pfleger wurden
       verhaftet, Sicherheitskräfte besetzten zeitweise das größte Spital im Land.
       
       Die Gesten des guten Willens werden jedoch durch die Festnahme von Zainab
       al-Khawaja getrübt. Mit ihren Tweeds gehört Khawaja zu den wichtigsten
       Stimmen der Aktivisten.
       
       ## Vater, Ehemann und Onkel in Haft
       
       Sie stammt aus einer Familie von prominenten Menschenrechtsaktivisten. Ihr
       Vater Abdul Hadi al-Khawaja wurde von einem Militärgericht zu einer
       lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt, ihr Ehemann und ihre Onkel
       erhielten mehrjährige Haftstrafen.
       
       Angesichts dessen wächst auch unter der moderaten Opposition die
       Frustration. "Seit elf Jahren sind wird zum Dialog bereit", sagte Jamil
       Kadhim Hassan Mohammed vom Wifak, der größten schiitischen
       Oppositionspartei.
       
       Der ehemalige Abgeordnete wirft dem Königshaus jedoch vor, dass es nur zu
       Scheingesprächen bereit sei. "Unsere Tür ist nach wie vor weit offen. Das
       Herrscherhaus müsse jedoch in ernsthafte Gespräche zur Lösung der
       politischen Krise sowie der wirtschaftlichen und Probleme einwilligen. "Wir
       wollen nicht mehr länger wie Sklaven behandelt werden", sagte Mohammed im
       Gespräch.
       
       Dabei beklagt er die Doppelmoral, wie er es nennt, des Königshauses wie des
       Westens, der sich auf die Seite der Rebellen in Libyen geschlagen hat und
       sich hinter die Aufständischen in Syrien stellt. "Langfristig schadet es
       den Interessen des Westens, wenn er sich hinter die diktatorischen Regime
       am Golf stellt. Denn die Völker werden das nicht akzeptieren."
       
       ## Im Blick: Syrien und Iran
       
       Derzeit richten sich die Blicke vor allem auf Syrien und den Konflikt um
       das Atomprogramm mit Iran. Viele Schiiten glauben, dass sich die Allianz
       der Golfmonarchien vor allem gegen sie richtet. Sie sehen darin eine
       Allianz der Sunniten gegen die Schiiten.
       
       Vor ein paar Wochen erklärte König Hamad, Aktivisten würden in Syrien
       trainiert, dessen wichtigster Bündnispartner neben Russland der Iran ist.
       Darüber hinaus beschuldigt er die Opposition, den syrischen Despoten Assad
       zu unterstützen.
       
       Davon kann laut Mohammed jedoch keine Rede sein. "Alle Protestbewegungen
       haben ein gemeinsames Interesse", sagt der Politiker. "Wenn es in Syrien
       eine Lösung gibt, wird sich das positiv auf Bahrain auswirken."
       
       15 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Inga Rogg
       
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