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       # taz.de -- Erneut Selbstverbrennung eines Tibeters: "Chinas Politik schürt den Protest"
       
       > Proteste von Tibet-Aktivisten überschatten den Besuch des chinesischen
       > Vizepräsidenten Xi Jinping in den USA. Die Lage in Tibet ist angespannt,
       > doch die Regierung in Peking bleibt hart.
       
   IMG Bild: Exiltibeter protestieren vor dem Weißen Haus in Washington gegen den Besuch des chinesischen Vizepräsidenten.
       
       PEKING/WASHINGTON dpa | Erneut hat sich in Südwestchina ein junger
       tibetischer Mönch aus Protest gegen die chinesische Herrschaft über die
       Tibeter angezündet. Die neue Selbstverbrennung geschah nur einen Tag vor
       dem Treffen des chinesischen Vizepräsidenten Xi Jinping mit US-Präsident
       Barack Obama am Dienstag in Washington. Der USA-Besuch des chinesischen
       Spitzenpolitikers, der im Herbst zum neuen Parteichef aufsteigen soll, ist
       überschattet von Protesten gegen das chinesische Vorgehen gegen die
       Tibeter.
       
       Nach amerikanischen Angaben sollen die "großen Sorgen" der USA über die
       Lage der Tibeter bei den Gesprächen des kommenden chinesischen Führers in
       Washington eine Rolle spielen. Aktionsgruppen appellierten an die
       US-Regierung, sich bei Xi Jinping für eine Wende in der chinesischen
       Tibet-Politik einzusetzen. Aktivisten enthüllten am Montag ein riesiges
       Banner mit der Aufschrift "Xi Jinping: Tibet wird frei" an der
       Arlington-Memorial-Brücke über den Potomac.
       
       Chinas Regierungschef Wen Jiabao verteidigte unterdessen das Vorgehen gegen
       die Proteste und Selbstverbrennungen von Tibetern. Auf dem EU-China-Gipfel
       am Dienstag in Peking kritisierte der Ministerpräsident, dass "eine kleine
       Zahl von Mönchen" angestiftet worden sei, die Entwicklung in den
       tibetischen Regionen zu untergraben. Tibet sei ein "unabtrennbarer Teil"
       Chinas. Die Tibeter seien "unsere Brüder", sagte Wen.
       
       Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) appellierte am Dienstag an den
       EU-Kommissions-Präsidenten José Manuel Barroso, die alarmierende Lage in
       Tibet bei dem EU-China-Gipfel anzusprechen. "Die schwierige Lage der
       Menschenrechte sollte nicht ausgeklammert werden, selbst wenn viele
       Europäer auf konkrete Hilfen Chinas bei der Stützung des Euro hoffen",
       sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. "Chinas Politik der harten Hand
       schürt den Protest der Tibeter. Europa darf dies nicht gleichgültig sein,
       da mehr Proteste und Verfolgung in Tibet drohen."
       
       ## Schicksal ungeklärt
       
       Bei der neuen Selbstverbrennung habe sich der 19-jährige Lobsang Gyatso aus
       dem Kirti Kloster am Montag auf der Hauptstraße von Aba (Provinz Sichuan)
       mit Benzin übergossen und angezündet, berichteten exiltibetische Quellen
       und die Aktionsgruppe International Campaign for Tibet (ICT). Sein
       Schicksal sei ungeklärt.
       
       Chinesische Sicherheitskräfte hätten die Flammen gelöscht und ihn dabei
       "schwer geschlagen". Zwei Tibeter, die dem jungen Mönch noch helfen
       wollten, seien ebenfalls geschlagen worden. Die chinesischen Staatsmedien
       bestätigten die Selbstverbrennung. "Die Polizei ist herbeigeeilt, um die
       Flammen zu löschen, und haben ihn in ein örtliches Krankenhaus gebracht",
       meldete die Agentur Xinhua.
       
       Knapp 200 Tibeter demonstrierten in Yushu (Jyekundo) in der Provinz Qinghai
       gegen die chinesische Herrschaft, wie exiltibetische Kreise berichteten. In
       der tibetischen Hauptstadt Lhasa wurde nach Angaben des amerikanischen
       Senders Free Asia der angesehene tibetische Kulturwissenschaftler Dawa
       Dorje festgenommen, der zuvor in Chengdu eine Konferenz tibetischer Sänger
       und Intellektueller organisiert hatte. Dabei hatte der Schriftsteller die
       Teilnehmer der Tagung aufgefordert, in ihren Werken die tibetische Sprache
       und Kultur zu erhalten.
       
       ## Angespannte Lage
       
       Seit den schweren Unruhen der Tibeter 2008 ist die Lage in den tibetisch
       bewohnten Regionen Chinas angespannt. Tibeter beklagen Festnahmen,
       Unterdrückung und scharfe Sicherheitsmaßnahmen. Empörung löst auch immer
       wieder die "patriotische Erziehungskampagne" aus, denen sich tibetische
       Mönche zwangsweise unterziehen müssen. Die Kontrolle über die Klöster wurde
       verschärft.
       
       Aus Protest gegen das chinesische Vorgehen haben sich seit einem Jahr schon
       mehr als 20 Tibeter selbst verbrannt. Die exiltibetische Regierung im
       indischen Dharamsala sieht ein Zeichen wachsender Verzweiflung. Erst am
       Samstag war eine 19-jährige Nonne bei einer Selbstverbrennung in Aba
       (tibetisch: Ngaba) ums Leben gekommen. Wie Aktionsgruppen berichteten, sind
       die Sicherheitsvorkehrungen noch verschärft worden. Chinesische
       Sicherheitskräfte kontrollierten und durchsuchten Tibeter an Straßensperren
       in der Stadt.
       
       Die Nachricht von der neuen Selbstverbrennung fiel auch zusammen mit den
       Gesprächen von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und
       EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Dienstag auf dem
       EU-China-Gipfel in Peking. Ob die Lage der Tibeter dabei angesprochen
       wurde, war zunächst unklar.
       
       14 Feb 2012
       
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