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       # taz.de -- Die Wahrheit: Liebe zum Stummel
       
       > Eigentlich interessiert sich kein Schwein für Christian Wulffs
       > persönliche Vorlieben, mit wem er wo und wann und wie urlaubt, pimpert
       > oder Maulaffen feilhält. Am wenigsten ...
       
   IMG Bild: Um dem Bundespräsidenten eine Freude zu bereiten, lichten wir hier sein Lieblingstier ab: einen Tapir.
       
       ... will man wissen, was Wulffens Lieblingstier ist. Und doch kommt man
       nicht umhin, kurz innezuhalten, wenn er davon spricht. Es ist - trörö - der
       Tapir, laut "Brehms Tierleben" ein "plump gebautes, schweineähnliches Tier
       mit schmächtigem Kopf, stummelhaftem Schwanz und rüsselförmiger Oberlippe".
       
       Politiker geben sich überhaupt ausgesprochen tierfreundlich. Vor allem in
       der Kommunal- und Landespolitik gibt es kaum einen Mandatsträger, der sich
       nicht für den örtlichen oder regionalen Zoo einsetzte: Zigmillionen
       Besucher pro Jahr sind Zigmillionen potenzielle Wählerstimmen.
       Oberbürgermeister, Stadt- und Landräte drängen sich geradezu danach,
       Tierpatenschaften zu übernehmen und so mit dem örtlichen Zoo assoziiert zu
       werden. Kanzlerin Merkel macht sich für den Zoo Stralsund stark,
       Bundespräsident Wulff für die Zoologischen Gärten in Osnabrück und
       Hannover. Auch Helmut Kohl, Norbert Blüm, Wolfgang Schäuble und zahllose
       andere Unionspolitiker sind bekennende Tiergartenfreunde.
       
       Woher das Faible gerade christlich angehauchter Politiker für den Zoo?
       Liegts, wie bei den sonstigen Besuchern auch, am wohligen Schauer, der sie
       überkommt angesichts eingesperrter Löwen, Tiger, Elefanten, vor denen sie
       schreiend davonliefen, begegneten sie ihnen in freier Wildbahn? Am schieren
       Sadismus jenen gegenüber, die das Wilde und Animalische repräsentieren,
       dessen sie selbst längst verlustig gegangen sind? Gewiss ja, der tiefere
       Grund aber für die Begeisterung von Wulff, Merkel & Co. für zoologische
       Einrichtungen dürfte im biblischen Unterjochungsauftrag aus dem 1. Buch
       Moses zu suchen sein, in dem Gott selbst den Menschen befiehlt, zu
       "herrschen über die Vögel und Fische und alles, was sich reget auf Erden".
       Wo sonst wird dieser Auftrag gottgefälliger ausgeführt als im Zoo? Nicht
       umsonst gibt es unter den Zoodirektoren überproportional viele gläubige
       Christen, die dem Schöpfungsgedanken näher stehen als der
       Evolutionstheorie.
       
       Einer davon ist der Direktor des Dortmunder Zoos, Frank Brandstätter (45),
       der, obgleich veritabler Biologe, mit der Behauptung aufwartet, die
       biblische Schöpfungsgeschichte stimme "in ihrem groben Verlauf" mit der
       Evolutionstheorie überein: "Sie widersprechen sich nicht, sie ergänzen
       sich." Unlängst nun hat Brandstätter, zusammen mit den Direktoren der Zoos
       in Köln und Berlin, ein Kinderbuch herausgebracht, in dem er die Tiere, die
       in der Bibel vorkommen, in Wort und Bild vorstellt. Dagegen wäre nun weiter
       nichts einzuwenden, stünde das Projekt "Tiere der Bibel" nicht unter
       ausdrücklich kreationistischen Vorzeichen und damit in offenem Widerspruch
       zum Bildungsauftrag, den wissenschaftlich geführte und damit staatlich
       subventionierte Zoos haben.
       
       Ziel des Buchs, so Brandstätter, sei es, Kinder an die "Schönheit der
       Schöpfung heranzuführen", in ihnen "Sinn und Geschmack an Gottes Natur
       auszubilden". Umfänglich wird dargestellt, wie "Gott die Menschen und Tiere
       erschaffen hat" und wie sehr er sie liebt. Letzteres führt Brandstätter
       groteskerweise in einem Kapitel über die Sintflut aus, in der Gott
       bekanntlich alle Menschen und Tiere umbrachte bis auf jene, die er in Noahs
       Arche überleben ließ. Tatsächlich steht im 1. Buch Moses zu lesen: "Da ging
       alles Fleisch unter, das auf Erden kriecht, an Vögeln, an Vieh, an Tieren
       und an allem, was sich reget auf Erden, und alle Menschen. Allein Noah
       blieb übrig und was mit ihm in dem Kasten war." Bei Brandstätter kein Wort
       davon, stattdessen fabuliert er von dem Bund, den Gott mit allen Geschöpfen
       geschlossen habe: "Als sichtbares Bundeszeichen setzte er einen Regenbogen
       in die Wolken".
       
       Das aufwendig gestaltete Buch, herausgegeben vom "Bonifatiuswerk der
       deutschen Katholiken", dient als Handreichung für Bibelführungen, die
       mittlerweile in vielen Zoos stattfinden und sich, so Brandstätter,
       "zunehmend großer Beliebtheit" erfreuen. In einem Geleitwort faselt Klaus
       Töpfer vom Zusammenhang zwischen Ökokatastrophe und wachsender Distanz zur
       Religion, und Ursula von der Leyen, Schirmherrin des gesamten Projekts,
       steuert die Erkenntnis bei, Tiere seien "besonders gut geeignet, um Kindern
       die Schöpfung ebenso nahezubringen wie die Bibel". Nicht zuletzt lässt
       Bundespräsident Christian Wulff sich zu seinem "Lieblingstier in Gottes
       Schöpfung" aus, dem stummelschwänzigen Tapir.
       
       13 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Colin Goldner
       
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