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       # taz.de -- Römischer Schnee: Hey, dann eben Winterspiele!
       
       > Der Schnee fällt, Italiens Hauptstadt kapituliert. Warum sich retten
       > musste, wer konnte, und wie sich Roms Bürgermeister noch weiter blamierte
       > als ohnehin schon.
       
   IMG Bild: Die "ewige" Stadt versinkt zur Zeit im Schnee.
       
       VATIKAN/ROM taz | Noch immer ist ganz Rom weiß. Ganz Rom? Nein! Der winzige
       Vatikan hat so schnell und effizient auf die böse Witterung reagiert, wie
       man es auch von der Hauptstadt der achtgrößten Volkswirtschaft der Welt
       hätte erwarten dürfen.
       
       Sofort wurden Schaufeln ausgepackt, aber nicht nur dort: Der päpstliche
       Winterdienst begab sich zum Schneeräumen auch auf ausländisches,
       italienisches Territorium, um den Zugang für Autos ins eigene Staatsgebiet
       zu ermöglichen; und damit waren sie in den schlimmsten Stunden des
       Desasters die einzigen Offiziellen in Rom, die ihrer Pflicht nachkamen.
       
       Aber was hilft das einer Metropolregion mit mehr als drei Millionen
       Einwohnern? Nichts. Das Drama nahm seinen Lauf, Rom kämpfte nicht mal, es
       kapitulierte bedingungslos. Alle Straßen blockiert, die öffentlichen
       Verkehrsmittel außer der U-Bahn nicht vorhanden, keine Müllabfuhr, kein
       Salz, keine Schneepflüge - die zwar vorhanden sind, aber nicht eingesetzt
       wurden:
       
       Bevor jemand sich ihrer erinnerte, waren sie schon von Schnee bedeckt. So
       hieß es für die Römer wieder mal: Rette sich, wer kann! Die Bürger nahmen
       die Schaufeln in die Hand, man half sich selbst; und das ist gewiss nicht
       das schlechteste Ergebnis dieser weißen Tage.
       
       ## Peinliches Theater
       
       Für den Bürgermeister der Stadt, Gianni Alemanno (53), hingegen sind die
       Zukunftsaussichten düster. Einst Mitglied des neofaschistischen MSI, wurde
       er 2008 auf der Liste der Berlusconi-Partei "Volk der Freiheit" ins
       Kapitol, den Sitz der Stadtregierung, gewählt. Nachdem er die angekündigten
       Schneemassen zunächst ignoriert hatte - Rom brauche keine Hilfe - ,
       lieferte er im Chaos nur peinliches Theater ab, indem er Schnee vom Gehweg
       auf die Straße schippte.
       
       Auch in seinem eigenen politischen Lager glaubt niemand mehr an seine
       Wiederwahl. Erfolg hat Alemanno nur noch bei den Satirikern. Nachdem er
       hinter dem Schneechaos ein Komplott vermutete, um Rom als Kandidaten für
       die Olympischen Sommerspiele 2020 madig zu machen, musste er sich vom
       Starkomiker Crozza sagen lassen: "Hey, dafür bekommt ihr jetzt die
       Winterspiele!"
       
       Was sich seit dem vergangenen Wochenende ereignet, ist allerdings nicht
       lustig. In der Peripherie gelegene Krankenhäuser und Altenheime waren
       tagelang nicht erreichbar, Familienangehörigen konnten keinerlei
       Informationen über die Lage ihrer Verwandten erhalten - auch nicht
       telefonisch. Auch hier waren es Freiwillige, war es die spontane
       Solidarität der Bürger, die das Schlimmste verhinderten. In ganz Italien
       hat der Eissturm bisher mindestens 30 Todesopfer gefordert.
       
       Was folgt nun aus der klaren Niederlage der Wiege der Zivilisation gegen
       die Natur? Die neuesten Polemiken aus Deutschland zum Klimawandel
       (Buchautor und Klimawandelleugner Vahrenholt) werden in Italien durchaus
       wahrgenommen. Als so praktische wie skeptische Menschen wissen die meisten
       Italiener aber, dass hinter solchen neuen "Erkenntnissen" wirtschaftliche
       Interessen der alten Energieriesen stecken.
       
       ## Vorhersagen waren exakt
       
       Gianvito Graziano, Vorsitzender des italienischen Geologenverbands, spricht
       schon eher aus, was viele im Land beschäftigt: "Wenn es Ratingagenturen für
       den Schutz des Territoriums und für die Vorsorge gegen Naturkatastrophen
       gäbe, dann würde Italien noch weit stärker herabgestuft als wegen seiner
       wirtschaftlichen Probleme."
       
       Das aktuelle Chaos habe mit dem Wetter wenig zu tun. Die Vorhersagen seien
       exakt gewesen, es mangele nur an kompetentem politischem Personal
       (Alemanno), das die entsprechenden Schlüsse aus ihnen zöge. Ab Freitag soll
       es dann wieder schneien in Rom.
       
       Aus dem Italienischen von Ambros Waibel
       
       8 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Francesca Sabatinelli
       
       ## TAGS
       
   DIR Besser
       
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