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       # taz.de -- Fünf neue Indikatoren für Wohlstand: Glück braucht nicht bloß Wachstum
       
       > Für Meinhard Miegel zeigt sich Lebensqualität nicht nur im
       > Bruttoinlandsprodukt. Der Sozialwissenschaftler hat fünf weitere
       > Indikatioren definiert.
       
   IMG Bild: Zum Wohlfühlen darf der Unterschied zwischen arm und reich nicht zu groß werden.
       
       BERLIN taz | Wer jung ist, möchte seinen materiellen Wohlstand erhöhen. Je
       älter die Menschen werden, desto eher sind sie aber zufrieden mit dem, was
       sie haben. Was heißt das für die deutsche Gesellschaft, die einen
       zunehmenden Anteil älterer Menschen aufweist? Die öffentlich verbreitete
       Wachstumsideologie bekomme neue Risse, meint Meinhard Miegel.
       
       Der Sozialwissenschaftler aus Bonn macht sich seit Jahren Gedanken darüber,
       wie Industriegesellschaften ihrer Fixierung auf materiellen Zuwachs
       entkommen und eher die Lebensqualität betrachten können. Nun hat Miegel
       sein "Wohlstandsquintett" präsentiert.
       
       Fünf Indikatoren zusammen sollen die wirtschaftliche Entwicklung besser
       messen als das Bruttoinlandsprodukt. Als Sachverständiger der
       Bundestagskommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" hofft er, dass
       ein Maßstab wie der von ihm vorgeschlagene zur offiziellen Richtschnur der
       Bundesregierung wird.
       
       Der bisherige alleinige Indikator für wirtschaftlichen Fortschritt, das
       Bruttoinlandsprodukt, ist nur noch eine der Miegelschen Größen. Weil das
       BIP schlicht die quantitative Zunahme der Güterproduktion misst, ihre
       negativen Folgen aber ausblendet, betrachtet es nicht nur Miegel als
       ergänzungsbedürftig.
       
       ## Dreifache Menge an Ressourcen
       
       Hinzu kommt als zweite Größe der "ökologische Fußabdruck im Vergleich zur
       globalen Biokapazität". Um den materiellen Wohlstand zu erwirtschaften,
       beanspruchen die Deutschen gegenwärtig die dreifache Menge der natürlichen
       Ressourcen, die ihnen bei fairer und umweltschonender Aufteilung unter den
       Erdenbürgern eigentlich zustünden, erklärt Miegels Kollegin Stefanie Wahl.
       
       Den dritten Posten des Quintetts bildet die 80-20-Relation. Damit setzt man
       die Summe der Einkommen der reichsten 20 Prozent ins Verhältnis zu den
       Mitteln der ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung. Deutschland liegt mit einer
       Relation von 4,5 unter dem EU-Durchschnitt von fünf und kann deshalb noch
       als vergleichsweise sozial ausgewogen gelten. Der vierte Indikator belegt,
       wie viele Menschen sich als ausgegrenzt empfinden. In Deutschland waren das
       2010 zehn Prozent (EU: 16 Prozent).
       
       Angesichts der Schuldenkrise hat Miegel auch die öffentliche Verschuldung
       im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung hinzugenommen. Dieser Indikator folgt
       der Logik, dass der materielle Zuwachs unter dem Strich aufgezehrt wird,
       wenn man ihn mit zu vielen Schulden erkauft, die später wieder abgetragen
       werden müssen.
       
       8 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannes Koch
       
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