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       # taz.de -- Raketenabschuss-System der Nato: Abwehr gegen die Abwehr
       
       > Die Patriot-Raketen der Bundeswehr sollen Teil des europäischen
       > "Raketenschilds" werden. Linksfraktion und Grüne befürchten eine neue
       > Rüstungsspirale.
       
   IMG Bild: Sollen künftig für die Nato schießen: deutsche Patriot-Abschussrampen.
       
       BERLIN/GENF taz | Große Zweifel haben Linke und Grüne daran geäußert,
       welchen Sinn der geplante Nato-"Raketenschild" für Europa sowie die
       deutsche Beteiligung daran haben. "Dieses Abwehrsystem trägt nicht zur
       Sicherheit Europas, sondern zur Destabilisierung bei", sagt der
       Linken-Verteidigungspolitiker Paul Schäfer, "es birgt die Gefahr, dass es
       eine neue Rüstungsspirale gibt".
       
       Am Donnerstag war bekannt geworden, dass USA und Nato die Kommandozentrale
       für das Abwehrsystem auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im
       rheinland-pfälzischen Ramstein ansiedeln wollen. Verteidigungsminister
       Thomas de Maizière (CDU) erklärte zudem die Bereitschaft, die in
       Deutschland stationierten Patriot-Raketen für das Projekt zur Verfügung zu
       stellen. Dies sei reine Symbolik, kritisierte Paul Schäfer: "Jeder weiß,
       dass die Patriots dafür ungeeignet sind."
       
       Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger sagte, de Maizières
       Ankündigung habe überrascht. "Bislang hieß es, Deutschland werde sich nicht
       mit Hardware beteiligen", sagte Brugger. Kosten und politische Konsequenzen
       des Abwehrsystems, das seit langem von den USA und seit 2010 offiziell von
       der Nato geplant wird, seien nicht absehbar: "Die Notwendigkeit abzurüsten
       wird dadurch konterkariert."
       
       Auf der Samstag beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz wird der
       "Raketenschild" für Streit sorgen. Russische Politiker weisen seit Jahren
       darauf hin, dass sie ein Raketenabwehrsystem, von dem viele Teile in der
       Nähe zur eigenen Grenze aufgebaut werden sollen, mindestens als Affront
       empfinden.
       
       ## "Ausweitung der Bedrohungsperzeption"
       
       Eine aktuelle Studie des Militärforschers Jerry Sommer für die
       Linksfraktion im Bundestag zeichnet nach, dass USA und Nato längst nicht
       mehr nur den Iran als Grund dafür anführen, eine Raketenabwehr in Europa
       aufzubauen. Vielmehr arbeite die US-Regierung an einer "Ausweitung der
       Bedrohungsperzeption" und verweise auf bis zu 30 Staaten mit Raketen.
       
       Die Patriot ist eine bodengestützte Rakete zur Abwehr von Flugzeugen,
       Marschflugkörpern sowie von Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von
       1.000 Kilometern und niedriger Flugbahn. Raketen aus dem Nahen oder
       Mittleren Osten, die Ziele in Deutschland erreichen sollen, hätten jedoch
       eine weit größere Reichweite und höhere Flugbahn. Deshalb sind die
       Patriot-Systeme der Bundeswehr untauglich zu deren Abwehr.
       
       Die US-amerikanischen Rüstungskonzerne Lockheed und Raytheon entwickelten
       und produzierten die Patriot ab 1969. Die Ursprungsversion der Rakete,
       genannt PAC-1, wurde erstmals von den USA im zweiten Golfkrieg ab Januar
       1991 zur Abwehr von Scud-Raketen, die Irak auf Israel und Saudi-Arabien
       abschoss, eingesetzt. Unabhängige Untersuchungsberichte nannten später eine
       Trefferquote von unter 10 Prozent. Seither wurden die Nachfolgeversionen
       PAC-2 und PAC-3 mit "verbessertem Kampfwert" entwickelt. Mit der PAC-3
       erzielten die US-Streitkräfte im Irakkrieg von 2003 laut Pentagon "große
       Erfolge" beim Abschuss irakischer Raketen.
       
       Seit 1985 sind US-Streitkräfte in Deutschland mit dem Patriot-System
       bewaffnet. Die Bundeswehr verfügt derzeit über bis zu 192 Abwehrraketen der
       Versionen PAC-2 und PAC-3. Das Verteidigungsministerium kündigte zuletzt
       eine Reduzierung der Bestände an.
       
       3 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR U. Winkelmann
   DIR A. Zumach
       
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