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       # taz.de -- Mit Sonnenenergie auf den Berg: Ein Skilift als "Leuchtturm"
       
       > lm schweizerischen Tenna bringt der weltweit erste Solarskilift die
       > Touristen auf den Berg. Im Winter wird geschleppt und im Sommer wird der
       > Strom verkauft.
       
   IMG Bild: Wenn kein Skibetrieb ist, speisen die Solarzellen den Strom ins Netz.
       
       Die Wintersportler schauen nicht nach links, wo die Berge ihre Spitzen in
       den blauen Himmel bohren und ein Postkartenpanorama liefern. Sie blicken
       nicht nach rechts und nicht nach unten, um ihre Skier im Auge zu behalten.
       Nahezu alle, die mit dem neuen Skilift im schweizerischen Tenna fahren,
       legen den Kopf in den Nacken und fixieren die Solarmodule drei Meter über
       ihnen.
       
       Die Auffahrt ist hier zum Event geworden, seit die winzige Schweizer
       Gemeinde mit 113 Einwohnern Mitte Dezember eine Sensation eröffnet hat: den
       ersten Solarskilift der Welt.
       
       Manche Leute recken den Daumen in die Luft oder jodeln, sobald sie das
       erste Solarelement passiert haben, und Kinder zählen eifrig die Module. An
       der Talstation brandet Jubel auf, sobald die Anzeige signalisiert, dass im
       Moment genügend Sonne da ist und die Anlage zu 100 Prozent mit dem eigenen
       Strom läuft.
       
       82 sogenannte Solarwings sorgen für die Energieproduktion. Sie sind
       beweglich, gehen mit der Sonne, um jederzeit einen möglichst hohen
       Wirkungsgrad zu erzielen. Ist die Sonnenstrahlung bei schlechtem Wetter zu
       gering, wird ausschließlich Solarstrom zugekauft.
       
       Experten attestieren dem Projekt aber großes Potenzial, weil die Sonne in
       der 1.700 Meter hoch gelegenen Gemeinde enorm kräftig ist und der Schnee
       die Strahlung reflektiert.
       
       Ein weiterer Pluspunkt: Wenn der Skilift im Sommer Pause hat, speisen die
       Solarzellen den Strom ins Netz ein. Unterm Strich erwirtschaftet die Anlage
       90.000 Kilowattstunden pro Jahr - viermal so viel, wie der knapp 500 Meter
       lange Schlepplift verbraucht.
       
       ## Dei Attraktion
       
       Oben angekommen, stürzen sich die Skifahrer nicht gleich in die Abfahrt,
       die meisten bleiben stehen, blicken hinab auf die Solarmodule, die
       aufgefädelt zwischen den Masten hängen. Kameras werden gezückt, ganze
       Gruppen nehmen Aufstellung, um ein Erinnerungsfoto mit Solarlift zu machen.
       
       Alles läuft sehr gemächlich, fast schon andächtig ab. Ohnehin gibt es in
       dem kleinen, familiären Skigebiet im Safiental in Graubünden keine Raser
       und Kilometerfresser. Man findet nur blaue und rote Abfahrten. Breite
       Pisten, Funparks, Skihütten, aus denen DJ Ötzi dröhnt - Fehlanzeige.
       
       Gemütlich schwingen alle ab, nehmen Rücksicht auf den Vordermann, der
       gerade abzweigt und die eigene Spur kreuzt.
       
       ## Optimal für Kinder
       
       "Man braucht keine Angst um seine Kinder zu haben", sagt eine Mutter im
       Tal, die gerade Wurst und Käse an einem Stand kauft. An der Kasse steht
       Tanja Buchli, die noch keine 30 ist, in Tenna wohnt und sich nichts
       Schöneres vorstellen kann.
       
       Sie vermarktet ihre eigenen Produkte und offeriert eine Ferienwohnung, so
       wie es nahezu jede Familie in Tenna macht. 10 bis 20 Prozent mehr Gäste
       erwarten sich die Einheimischen. Das Skigebiet gibt es schon seit 40
       Jahren, aber jetzt steht hier zwischen den alten Walserhäusern der erste
       Solarskilift der Welt, über den in der ersten Woche schon in ganz Europa
       berichtet wurde.
       
       Tanja Buchli hat ihre Ferienwohnung auf Solarstrom vom Skilift umgestellt.
       "Wir werben damit im Internet, und die Leute sind begeistert."
       
       ## Sponsoren und Darlehnen
       
       Die Pakete mit Solarstrom, der viermal so teuer ist, gehören zu den vielen
       Bausteinen, mit denen die Genossenschaft das knapp 2 Millionen Euro teure
       Projekt finanziert.
       
       Neben öffentlichen Geldern und Zuschüssen von Stiftungen sind vor allem
       Privatleute eingesprungen: Manche geben zeitlich unbefristete und zinslose
       Darlehen, andere sponsern ein Solarmodul, einen Skibügel oder gleich die
       Talstation. Fast jeder Einwohner hat gespendet.
       
       Die Zahl der Teilhaber, die mindestens 100 Franken (80 Euro) Einlage
       zahlen, hat sich dank der Solaridee auf 200 verdoppelt. Es gab von Anfang
       an kaum Zweifler.
       
       "Wir ziehen alle an einem Strang", erklärt Skiliftchef Edi Schaufelberger,
       der heute ebenfalls über die Piste wedelt. Mitten in der Abfahrt bleibt er
       aber stehen, gesellt sich zu einer Gruppe am Pistenrand und lauscht, wie
       die Leute voll des Lobes sind.
       
       ## Das Safiental setzt auf Tourismus
       
       "Wir mussten keinen einzigen Bankkredit aufnehmen", betont Schaufelberger.
       Er rechnet damit, dass in zwölf Jahren alle Kosten wieder eingespielt sind.
       Aber das Projekt reiche ja viel weiter. Das Safiental mit seinen knapp
       1.000 Einwohnern zähle zu den strukturschwächsten Gebieten der Schweiz. Nur
       der Tourismus könne die Region bewahren.
       
       "Der Skilift ist jetzt unser Leuchtturm, bringt neue Gäste, die aber auch
       mal wandern oder Schlitten fahren wollen."
       
       In Camana, ganz hinten im Safiental, kurz bevor die Straße endet und nur
       noch Berge warten, hat man die Vorlage verstanden. Zum Tourenski-Areal
       gesellen sich dort nun ausgeschilderte Schneeschuhrouten, außerdem öffnete
       gleichzeitig mit dem Skilift eine Rodelbahn.
       
       4 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Schreiber
       
       ## TAGS
       
   DIR Reiseland Schweiz
       
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