# taz.de -- Kolumne Männer: Was Frauen wollen
> Wenn Männer zögern, Frauen zu küssen, ist das angeblich "furchtbar
> unsexy". Aber nicht so unsexy wie das Klagen drüber.
Jungs sind doof. Das ist, nur geringfügig verkürzt, die These eines
Zeit-Artikels über kussunwillige junge Herren. Unter dem Titel "Die
Schmerzensmänner" schrieb die Autorin Nina Pauer, Jahrgang 1982, vor
wenigen Wochen über mild gewordene Kerle, die Frauen durch lauter
Verständnis das Leben vermiesen.
Anstatt die Frau vor ihnen einfach zu küssen, fragten sie sich: "Vielleicht
möchte die junge Frau gar nicht geküsst werden? Vielleicht würde sie sonst
selber gerne den ersten Schritt tun?" Mit fatalen Folgen: "Auf die junge
Frau wirkt die neue männliche Innerlichkeit, das subtile Nachhorchen in die
tiefsten Windungen der Gefühlsregungen schrecklich kompliziert. Und auf die
Dauer furchtbar unsexy."
Was Pauer beschreibt, ist weniger originell, als die medialen Reaktionen
von Spiegel über Jungle World bis Welt andeuten. Darin steckt die
altbekannte Kritik an dem, was man in den Achtzigern "Softie" nannte. Der
Softie versuchte, den Forderungen von Feministinnen an einen Mann
nachzukommen.
Doch indem er tat, wie ihm geheißen, erntete er allseitige Verachtung. Auch
ein Schmerzensmann versucht, weiblichen Ansprüchen gerecht zu werden. Nur
hat er, um dabei nicht erwischt zu werden, seine Tarnung perfektioniert. Er
kleidet sich gut, trägt Bart und hat einen erlesenen Musikgeschmack.
Pauers Kritik ist widersprüchlich: Männer sollen einerseits tun, was sie
wollen, ohne groß nachzudenken. Andererseits erwartet Pauer das Gegenteil:
Männer sollen die Sehnsüchte von Frauen erfüllen. Aber, bitte, ohne zu
zeigen, dass sie dafür nachgedacht haben. Denken wirkt nämlich "furchtbar
unsexy". In beiden Fällen aber geht es um Forderungen von Frauen ans
Verhalten von Männern. Und sie sind unvereinbar, wie Protestantismus und
Karneval.
Nun könnte ich sagen: Hier zeigt sich die Überforderung der
durchreflektierten Generation um die 30, die permanent fürchtet, angesichts
einer Fülle von Wahlmöglichkeiten falsche Entscheidungen zu treffen. Und
dass Pauer die eigene Verängstigung aufs begehrte Geschlecht projiziert.
Das klänge abgewogen: Mal wieder wäre die Gesellschaft schuld, also keiner.
Was aber würde passieren, wenn ein Mann klagte, an Frauen sei dies
"furchtbar unsexy" und jenes "schrecklich kompliziert"? Richtig: Er käme in
Teufels Küche. Also los.
1. Es schmälert zeitweise meine große Zuneigung zu Frauen, wenn sie beim
Kaffee über Menstruation plaudern. Diese interessiert Männer erst, wenn sie
ausbleibt. 2. Frauen machen Knutschen schrecklich kompliziert. Will eine
Frau geküsst werden, kann sie simple Signale senden: auf den Mund des
Mannes gucken. Sie kann verschwörerisch sagen: "Ich sollte nichts mehr
trinken." Oder sie selbst kann den Kerl küssen. Furchtbar unsexy jedoch ist
es, zu beklagen, dass Männer ihr diese Drecksarbeit nicht abnehmen. Was,
wenn das Gegenüber nicht will? Dann ist das halt so, Herrgott. Männer
nennen so was nicht "Weltuntergang", sondern "Wochenende".
Die Frau kann dann trauern. Oder sagen: "Ich sollte dringend noch was
trinken." Oder sie kann mich treffen. Ich werde auch versuchen, dabei
nichts zu denken.
1 Feb 2012
## AUTOREN
DIR Matthias Lohre
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