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       # taz.de -- Helmut Dietls Film "Zettl": Tröstet euch, es wird nicht besser
       
       > Seit "Kir Royal" treibt viele die Sehnsucht um, so etwas Intelligentes,
       > Unterhaltsames möge doch wieder kommen. "Zettl" erfüllt die Hoffnung
       > nicht.
       
   IMG Bild: Kein Baby Schimmerlos. Michael "Bully" Herbig als Zettl und Dagmar Manzel als Veronique von Gutzow.
       
       Sie haben sie alle so sehr herbeigewünscht: die endgültige, superlustige
       Schlüsselkomödie über die Berliner Republik mit Lachgarantie und
       Wiedererkennungseffekt für all diejenigen, die sich wichtig genug fühlen,
       um zu glauben, sie müssten darin vorkommen.
       
       Die aufwendige Marketingkampagne für Helmut Dietls neuen Film "Zettl"
       spricht nämlich nicht nur dafür, dass hier eine professionelle
       Produktionsfirma versucht, für einen unüblich teuer geratenen Film
       wenigstens einen kleinen Rückfluss zu organisieren. Drehbuchautor Benjamin
       von Stuckrad-Barre in der Welt am Sonntag, Regisseur Helmut Dietl in der
       Süddeutschen, Hauptdarsteller Michael "Bully" Herbig bei Gottschalk in der
       ARD - es kommt selten vor, dass ein deutsches Kinoprodukt mit solch
       medialer Überpräsenz gestartet wird.
       
       An der Willigkeit, um nicht zu sagen dem Eifer, mit dem den launigen
       Erzählungen von Stuckrad-Barre und den grantelnden Bemerkungen Dietls Platz
       eingeräumt wurde, lässt sich vor allem ablesen, wie groß die Sehnsucht ist.
       Doch nach was eigentlich?
       
       ## Bunte Hunde im grauen Alltag
       
       Helmut Dietl, daran erinnern sich in dieser unsrigen Berliner Republik wohl
       nicht mehr ganz so viele, machte Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre mit
       zwei Fernsehserien von sich reden, die in der grauen Alltäglichkeit des
       damals konkurrenzlosen Öffentlich-Rechtlichen als bunte Hunde ins Auge
       fielen. Zuerst war da "Monaco Franze" mit dem unvergleichlichen Helmut
       Fischer als melancholischem Lebemann in der Titelrolle.
       
       Und dann kam "Kir Royal" - wie es von heute aus scheinen will, die erste
       und einzige deutsche Fernsehserie, der man Intelligenz und Unterhaltsamkeit
       bei gleichzeitiger lebenstreuer Zeichnung real existierender medialer wie
       machtpolitischer Verhältnisse zuschrieb.
       
       Für die Nachgeborenen: Franz-Xaver Kroetz spielte darin einen Münchner
       Klatschreporter namens Baby Schimmerlos, Dieter Hildebrandt mimte den
       fotografierenden Paparazzo zu seinen Diensten und Senta Berger die
       Lebensgefährtin, die immer noch mehr vom Leben will.
       
       Wahrscheinlich müsste man nun noch erklären, für was der Name Kroetz damals
       stand und was so großartig daran war, dass ausgerechnet er den
       Klatschreporter gab. Aber dann wäre man schnell beim alten Lied davon, wie
       übersichtlich die alte Bundesrepublik doch war, mit ihren wohligen
       Regionalismen, in denen Köln für Karneval, Schwaben für Geiz und München
       für Möchtegern-Schickeria, Lederhosen und Politik à la Franz Josef Strauß
       stand.
       
       ## Die wahren Zustände der Republik
       
       "Kir Royal" dauerte nur eine Staffel, und doch hatte Dietl zusammen mit
       seinem Koautor Patrick Süskind etwas geschaffen, das von 1986 an über alle
       Wechselfälle deutscher Geschichte hinweg die Sehnsucht nach mehr wachhielt:
       Ach, gäbe es das doch wieder! Lokalgeschichte - ganz universell; die wahren
       Zustände der Republik - wunderbar ironisch auf den Punkt gebracht.
       
       In den 90ern machte Dietl dann Kinofilme, die mal größeren ("Schtonk!",
       "Rossini"), mal weniger großen ("Late Show") Erfolg hatten. Und jedes Mal
       wurde "Kir Royal" als unvergleichlicher Vergleichspunkt beschworen. Bei
       seinem letzten Film "Vom Suchen und Finden der Liebe" (2005) hatte Dietl
       sein Publikum dann fast so weit, dass man gar nicht mehr glauben konnte, er
       habe je etwas wie "Kir Royal" geschaffen. Doch dann fing er selbst davon
       an: Er wolle mit Schimmerlos weitermachen. Und das konnte 20 Jahre nach dem
       Mauerfall nur bedeuten, dass der "Baby" nach Berlin ziehen musste.
       
       ## Halsstarrigkeit und schlechte Ideen
       
       Dass dieser Umzug keine gute Idee war, scheint von geradezu schmerzhafter
       Klarheit. Doch Dietl hat sich noch nicht einmal davon abschrecken lassen,
       dass sein Hauptdarsteller Kroetz nicht mitziehen wollte. Mit fast schon
       bewundernswerter Halsstarrigkeit hält er an der Idee fest - was bedeutet,
       dass die ersten langen Minuten von "Zettl" aus einer Animationssequenz
       bestehen, in der umständlich vom Umzug nach Berlin berichtet wird und
       davon, dass Schimmerlos auf seine alten Tage doch noch Chefredakteur hätte
       werden sollen, und zwar bei jenem ehrgeizigen publizistischen
       Lieblingsprojekt der neuen Republik, das Berliner Pendant zum New Yorker zu
       schaffen.
       
       Doch dann kam ihm und seinem Motorrad das Brandenburger Tor dazwischen. An
       dieser Stelle beginnt dann zwar endlich der Film, doch muss dann erst noch
       recht umständlich Schimmerlos zu Grabe getragen werden, bevor sich "Zettl"
       seiner eigentlichen Handlung und seiner eigentlichen, von Michael "Bully"
       Herbig verkörperten Hauptperson zuwenden kann. Wo er im Grunde aber nie
       ankommt.
       
       Das Traurigste - denn es gibt leider viel Trauriges an dieser Komödie - an
       "Zettl" ist vielleicht tatsächlich, dass er diesen Umzug nie verwindet. Auf
       vielen Ebenen: So schön es ist, dass Dieter Hildebrandt und Senta Berger
       ihre Rollen wieder aufnehmen und sich wenig darum scheren, dass die letzten
       30 Jahre so sichtlich ihre Spuren an ihnen hinterlassen haben, so wenig
       dringlich erscheint ihre Geschichte am neuen Ort.
       
       ## Abschied von Erwartungen
       
       Einerseits will Dietl das "Narrentreiben der Berliner Republik"
       ausführlichst beobachtet haben, andererseits verrät schon seine ständige
       Rede von der "provinziellen preußischen Quadratmeile", dass er seine
       Münchner Heimat geistig nie verlassen hat. Mit der Beerdigung von Baby
       Schimmerlos will der Film die Erwartung verabschieden, "Zettl" könnte
       tatsächlich "Kir Royal" fortsetzen. Doch schon dass er so lange darauf
       verwendet, zeigt, dass hier die Autoren dem selbst erfundenen Erben Max
       Zettl gar nicht recht zutrauen, ein würdiger Nachfolger zu sein.
       
       Dieses Misstrauen der eigenen Schöpfer unterspielt Bully Herbig allerdings
       ziemlich elegant mit einer Nonchalance, die seiner im Grunde blöden Rolle
       des "Chauffeurs, der zum Medienmacher aufsteigt", doch noch Kontur
       verleiht. Wie man überhaupt sagen muss, dass es nicht an den Schauspielern
       liegt, dass "Zettl" als Komödie so ziemlich in jeder Hinsicht scheitert.
       
       Ob Harald Schmidt als schwäbelnder Politiker, Ulrich Tukur als Schweizer
       Verleger, Götz George als dementer Kanzler, Sunnyi Melles als Moderatorin
       auf Droge oder Dagmar Manzel als transsexuelle Berliner Bürgermeisterin,
       sie mühen sich. Aber gegen ein Drehbuch, das ihnen außer Dialekt wenig zu
       tun gibt, haben sie keine Chance.
       
       ## Viel passiert mit wenig Sinn
       
       Es ereignet sich viel in diesem Film, eine Online-Zeitschrift wird
       gegründet - auch wenn hier niemand wirklich zu wissen scheint, was das
       heißt -, ein Kanzler stirbt und wird auf Eis gelegt, eine Bürgermeisterin
       lässt sich operieren, eine Berliner Göre (so wohl die Rollenbeschreibung
       von Karoline Herfurth) wechselt durch die Betten der Politiker, ein
       Promiarzt (Gert Voss in dialektfreier Großartigkeit) sucht den Freitod. Und
       vieles weitere mehr. Sinn ergibt nichts davon. Mit der Wirklichkeit, auch
       der gefühlten, hat das alles ebenfalls nichts zu tun.
       
       "Zettl", letzte Woche noch als das Filmereignis des Monats gehandelt,
       erscheint nun als ein weiteres Beispiel dafür, dass oft die schlimmere
       Strafe nicht im andauernden Entzug, sondern in der Erfüllung der Sehnsucht
       liegt. Wer die Fortsetzung von "Kir Royal" haben wollte, der hat sie nun.
       Eine bessere wird es nicht geben. Und das kann durchaus tröstlich gemeint
       sein.
       
       1 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Schweizerhof
       
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