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       # taz.de -- Notunterkünfte: Rettung aus der Tiefkühltruhe
       
       > Die extreme Kälte treibt wieder Hunderte Obdachlose in die
       > Notübernachtungen. Die Einrichtungen platzen aus allen Nähten und suchen
       > nach Unterstützung.
       
   IMG Bild: Zu kalt draußen: Obdachloser in Berliner Notunterkunft.
       
       Wer öfter kommt, hat in der Notunterkunft Lehrter Straße seine eigene
       Zahnbürste. Mit Namensschild, alphabetisch sortiert. Offiziell hat die
       Einrichtung der Stadtmission während der Kälteperiode 60
       Übernachtungsplätze für Obdachlose. Am Samstag, dem ersten wirklich kalten
       Tag des Jahres, kamen 170 Menschen. Sie bekamen warmen Tee und etwas zu
       essen, ihre Zahnbürste und bei Bedarf medizinische Behandlung. Auf
       Isomatten oder Bänken übernachteten sie in sieben Räumen. "Wir haben noch
       nie jemand abgewiesen", sagt Ortrud Wohlwend von der Stadtmission. Im
       Zweifel heiße das: zusammenrücken.
       
       Mehrere tausend Menschen leben nach Schätzungen der Diakonie auf den
       Straßen Berlins. Um sie vor dem Erfrierungstod zu bewahren, schließt sich
       seit einigen Wintern ein Netzwerk aus rund 70 Notunterkünften, Nachtcafés
       und Kältebussen zusammen. Betrieben werden sie von den Kirchen,
       Wohlfahrtsverbänden und kleinen Initiativen. Die Bezirke bezuschussen 315
       Plätze, die meisten davon in den Innenstadtbezirken. "Am Samstag hatten wir
       mit 467 Übernachtungen eine Überbelegung von 150 Prozent", erzählt
       Johannfried Seitz-Reimann vom Kältehilfe-Telefon.
       
       ## "Völlig überlastet"
       
       "Das System ist völlig überlastet, wir brauchen mehr Plätze", sagt
       Seitz-Reimann und sieht die Bezirke in der Pflicht. Zwar gebe es in diesem
       Winter ein paar Dutzend Plätze mehr als im letzten Jahr. Aber gerade aus
       Osteuropa seien auch wesentlich mehr Menschen nach Berlin gekommen, die die
       Kältehilfe benötigten.
       
       Die Stadtmission hatte in diesem Jahr extra eine zweite Notübernachtung in
       der Kreuzberger Johanniterstraße aufgemacht, um die Zentrale in der Lehrter
       Straße zu entlasten. Nun seien beide Einrichtungen überbelegt, berichtet
       Wohlwend. Auf den Bezirk wolle man sich nicht verlassen, um die Mittel für
       zusätzliche Übernachtungen, warme Kleidung und ärztliche Versorgung zu
       sichern: "Wir setzen auf Spenden." Aktuell wirbt die Stadtmission mit einem
       Mann, der sich in der Tiefkühltruhe zur Ruhe gelegt hat. Slogan: "Würden
       Sie hier gern übernachten?"
       
       31 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manuela Heim
       
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