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       # taz.de -- Demokratie nach Art der Fifa: Die Wahl ohne Wahl
       
       > Die Präsidentschaftskandidatur des Sportjournalisten Grant Wahl
       > offenbarte: Macht gewinnt man im Fußball-Weltverband nicht auf
       > demokratischem Wege.
       
   IMG Bild: Erfahrungsaustausch: Sepp Blatter und Wladimir Putin kennen sich mit Wahlen aus.
       
       Ganz nah dran war Grant Wahl! An den höchsten Ämtern, die man im Fußball
       erreichen kann, auch wenn man nicht gut kickt! Der amerikanische
       Sportjournalist wollte 2011 Sepp Blatter als Fifa-Präsident ablösen.
       
       Dabei war sein Programm für den Weltfußballverband nicht revolutionär, eher
       eine Mischung aus Barack Obama und Transparency International: die Amtszeit
       eines Präsidenten sollte beschränkt, ein Videobeweis für strittige
       Spielsituationen eingeführt, eine Generalsekretärin als weibliches
       Gegengewicht zu den 24 männlichen Fifa-Exekutivmitgliedern berufen werden
       und eine Art Wikileaks sollte alle internen Fifa-Dokumente öffentlich
       machen.
       
       "Ich fand es seltsam, dass Blatter weder bei der 2007- noch bei der
       2011-Wahl einen Herausforderer hatte", erklärte Wahl. Er trat an und ließ
       sich von seinem Arbeitgeber, dem Fachblatt Sports Illustrated,
       unterstützen. Per SMS sandte auch Xabi Alonso von Real Madrid, mit Spanien
       2010 Weltmeister, herzliche Glückwünsche.
       
       Formale Voraussetzung, um überhaupt um die Fifa-Präsidentschaft kandidieren
       zu können, ist, dass man von einem Mitgliedsverband vorgeschlagen wird.
       Davon gibt es über 200, und Wahl hatte sich strategisch zurechtgelegt, dass
       er einen Verband von mindestens mittlerer Größe für sich gewinnen müsste:
       Kleine Nationen seien zu sehr von Fifa-Geldern abhängig.
       
       ## Die Wahl ist geheim, die Nominierung öffentlich
       
       Mit einem Funktionär, von dem Wahl nur mitteilt, er führe einen
       europäischen Verband, dessen Nationalelf schon einmal die WM gewonnen habe,
       wurde ihm erklärt: "Wir würden es lieber sehen, wenn wir für Sie stimmen
       könnten und Sie nicht nominieren müssten." Schließlich sei die Wahl geheim,
       aber die Nominierung öffentlich.
       
       Grant Wahl mailte sich durch die Welt. Als er erfuhr, dass Burundi das
       einzige Fifa-Mitglied ist, das eine Präsidentin an der Spitze hat, Lydia
       Nsekera, schlug er der gleich vor, sie zur Generalsekretärin zu machen -
       aber sie antwortete nicht. Aus Island wurde er um mehr Informationen zu
       seiner Kandidatur gebeten.
       
       Als er die geschickt hatte, "sagte man mir auf eine extrem höfliche Weise
       ab". Etwas harscher wurde er in Schweden behandelt. Lennart Johannson,
       früherer Uefa-Präsident und alter Sepp-Blatter-Gegenspieler, schimpfte,
       dieser Grant Wahl sei "völlig unbekannt", und die USA seien doch auch
       "keine Macht im Fußball".
       
       Richtige Zweifel an seinem Projekt bekam Wahl, als er erfuhr, dass der
       chilenische Fußballheros Elías Figueroa, der auch über politische Erfahrung
       verfügt, sich vergeblich um eine Kandidatur bemühte. Doch außerhalb der
       Fifa erhielt Grant Wahl große Unterstützung: Beim Eröffnungsspiel der
       US-Profiliga MLS hing da ein Plakat "Wahl 4 Fifa Pres". Der Hersteller
       eines Energydrinks namens "Golazo" ließ Buttons mit dem Aufdruck "Wahl Fifa
       President" verteilen. Und Sports Illustrated ließ seine Online-Leser
       abstimmen: zwei Prozent für Blatter, 95 Prozent für Wahl.
       
       Letztlich verhalf ihm all diese Unterstützung nicht zur Nominierung, die
       Wahl fand ohne Wahl statt, aber der ist dennoch zufrieden: "Ganz normale
       Fußballfans aus allen Ländern der Welt sprachen jetzt ein bisschen öfter
       über die Absurdität des Fifa-Wahlverfahrens." Das sei doch auch ein Erfolg.
       
       22 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Krauss
       
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