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       # taz.de -- Andreas Rüttenauer will DFB-Chef werden: "Ich glaube an meine Chance"
       
       > Das Wahlverfahren des Deutschen Fußballbundes ist skandalös. Andreas
       > Rüttenauer, DFB-Präsidentschaftskandidat, will den kompletten Verband neu
       > organisieren.
       
   IMG Bild: Die größte Herausforderung des DFB: Radikaldemokrat Andreas Rüttenauer.
       
       taz: Herr Rüttenauer, Sie wollen DFB-Präsident werden, aber mal ehrlich,
       Sie haben doch keine Chance. 
       
       Andreas Rüttenauer: Wenn ich nicht an meine Chance glauben würde, würde ich
       mich nicht um das Amt bewerben.
       
       Jeder weiß, dass Wolfgang Niersbach im März Präsident des Deutschen
       Fußballbundes sein wird. 
       
       Und wer hat das festgelegt? Ein kleiner Kreis von Funktionären bestimmt,
       wer einen Verband leitet, dem über 6,5 Millionen Mitglieder angehören. Dass
       es so etwas im Deutschland des Jahres 2012 geben kann, ist ein handfester
       Skandal. Und ich mag einfach nicht glauben, dass die Funktionärsriege des
       DFB wirklich damit durchkommt.
       
       Am Ende wählt eine Versammlung, die sich DFB-Bundestag nennt, den
       Präsidenten. Ist das keine demokratische Legitimation? 
       
       Dann war auch Erich Honecker demokratisch legitimiert. Das Problem der
       DFB-Spitze ist doch, dass dort eine absolute ZK-Mentalität herrscht. Das
       Präsidium entscheidet, wo es langgeht. So wie einst das Zentralkomitee der
       SED in der DDR. Welches einfache Mitglied eines Fußballvereins weiß
       überhaupt, wer als Delegierter des DFB-Bundestags über die Zukunft des
       Fußballs in Deutschland entscheidet. Außerordentliche Verbandstage in den
       Landesverbänden, in denen die Präsidentenfrage mit den Vertretern der
       Vereine diskutiert wird, müssten dem Bundestag vorausgehen. Zuvor muss
       genug Zeit sein für Diskussionen in den Klubs. Der Fußball muss wieder eine
       Graswurzelbewegung werden. Es reicht nicht, dem Wahlverfahren einen
       demokratischen Anstrich zu geben. Da gibt es dann Abstimmungen in
       irgendwelchen Gremien mit irrwitzigen Zustimmungsraten. Es mag Menschen
       geben, die ein derartiges System als lupenreine Demokratie bezeichnen. Der
       Ausdruck "gelenkte Demokratie" ist da weitaus zutreffender.
       
       Und Sie wollen den Verband demokratisieren? 
       
       Wollen wir uns nicht duzen?
       
       Wenn Sie meinen? 
       
       Wir sind ja ein und dieselbe Person.
       
       Stimmt. Bei Selbstgesprächen siezt man sich ja auch nicht. Also du willst
       den Verband demokratisieren? 
       
       Mein Ziel ist es, den Verband für alle Vereinsmitglieder zu öffnen. Das
       bedeutet für mich zwangsläufig eine Stärkung des Amateurfußballs. Dort ist
       der wahre Fußball zu Hause, der Fußball, der sich über Mitgliedsbeiträge
       finanziert, der von Ehrenamtlern getragen ist. Der Fußball, der noch nicht
       durchkommerzialisiert ist. Wir müssen darauf achten, dass die großen
       Sponsoren den Fußball nicht vollständig für sich vereinnahmen. Eins dürfen
       wir nie vergessen: die Bundesliga gäbe es nicht ohne den Amateurfußball.
       Und doch muss man den Eindruck haben, dass der mehr und mehr marginalisiert
       wird.
       
       Verstehst du dich als Anwalt der Hartplatzkicker? 
       
       Ich will ihnen zumindest Gehör verschaffen. Wo ist denn im DFB der freie
       Streit der Meinungen? Die Urwahl des Präsidenten durch die organisierten
       Fußballerinnen und Fußballer ist eines meiner vordringlichen Ziele. Am Ende
       dieses Wettstreits muss der Präsident nicht Andreas Rüttenauer heißen. Aber
       wenn ich das Gefühl habe, da ist ein Mann oder eine Frau an der Spitze des
       Verbandes, der oder die wirklich den deutschen Fußball repräsentiert, dann
       bin ich ein glücklicher Mann.
       
       Das könnte auch Wolfgang Niersbach sein? 
       
       Natürlich. Aber bis jetzt weiß nur er selbst, wofür er eigentlich steht.
       Würde er sich bei einer echten Abstimmung zur Wahl stellen, würde auch sein
       Programm zur Wahl stehen. Dann sähe das schon anders aus.
       
       Für Franz Beckenbauer steht fest, dass Niersbach der Beste ist. 
       
       Aber was Niersbach auszeichnet, kann auch der Kaiser nicht sagen. Es ist
       übrigens bezeichnend, dass es der DFB selbst ist, der die Lobhudeleien der
       Sportprominenz via Pressemitteilungen und Hauspublikationen verbreitet.
       Auch das erinnert an autokratische Systeme. Da wird einer als der Richtige
       bezeichnet, nur weil er in der DFB-Tradition der folgerichtige Kandidat
       ist. Das ist bei Nordkoreas neuem Führer Kim Jong Un auch nicht viel
       anders. Den kennt niemand, und dennoch wird er der Bevölkerung als "Genie
       der Genies" verkauft.
       
       Nordkorea ist ein Schurkenstaat und der DFB demnach eine
       Verbrecherorganisation. 
       
       Nein, es gibt zwar im Weltfußball eine Verbrecherorganisation, aber die
       sitzt in Zürich und nicht in Frankfurt. Ich möchte auch keinem Mitarbeiter
       des DFB unterstellen, er wäre kein rechtschaffener Arbeiter im Dienst des
       Fußballs. Aber eine offene Diskussionskultur, in der die Probleme wie
       Rassismus, Antisemitismus oder Schwulenfeindlichkeit auf und neben dem
       Platz angesprochen werden können, sehe ich trotz aller Bemühungen von Theo
       Zwanziger in diesen Bereichen nicht. Der DFB hat sich da über die
       Jahrzehnte eingemauert. Diese Mauern gilt es einzubrechen. Je mehr man für
       Transparenz sorgt, desto mehr moralische Autorität hat man, wenn es darum
       geht, die Missstände in der Fifa anzuprangern.
       
       Dann musst du dich ja mit dem ganzen Apparat anlegen. 
       
       Ich will natürlich niemanden verletzen und werde alles dafür tun, das
       Vertrauen des Apparats zu gewinnen. Vielleicht ist es aber auch nicht
       alleine zu schaffen. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, in einer
       Übergangszeit zusammen mit Wolfgang Niersbach zu agieren. Die Doppelspitze
       im DFB hat sich ja schon einmal bewährt und so den Übergang von Gerhard
       Mayer-Vorfelder zu Theo Zwanziger wahrscheinlich erst ermöglicht.
       
       Also keine Tabula rasa? 
       
       Es gibt natürlich Dinge, die einfach nicht gehen. Da veranstaltet der DFB
       eine Frauenweltmeisterschaft und schafft es zumindest für drei Wochen,
       richtig für Begeisterung zu sorgen, und tut dennoch nichts, um den Frauen
       im Verband mehr Einfluss zu geben. Im 18-köpfigen Präsidium sitzt mit
       Hannelore Ratzeburg nur eine einzige Frau. Und die ist natürlich für den
       Frauenfußball zuständig. Den DFB kann man immer noch mit Fug und Recht als
       männerbündisch bezeichnen. Das ist keine gute Voraussetzung, wenn es darum
       geht, beispielsweise die bisweilen hirnlose Männerherrlichkeit in der
       Fußballkultur zu analysieren und ihr gegebenenfalls etwas entgegenzusetzen.
       
       Sind das die Themen, mit denen du in die Wahl gehen willst? 
       
       Das ist sicher ein Thema. Ich habe zwar nicht mehr viel Zeit bis zur
       Abstimmung, aber mein Ziel ist es, bis dahin Ideen einzusammeln. Alle, die
       wollen, können sich über meine Facebook-Seite daran beteiligen. Das
       Manifest des deutschen Fußballs, mit dem ich in die Wahl gehe, soll nicht
       in Granit gemeißelt sein. Ich verstehe es als work in progress. Wir müssen
       endlich aufhören, den Menschen zu erklären, was sie unter Fußball zu
       verstehen haben. Sie sollen es selbst artikulieren dürfen.
       
       Gibt es da Grenzen für dich? 
       
       Rassismus, Antisemitismus oder Homophobie, all diese unappetitlichen Dinge,
       die uns viel zu oft immer noch im Fußball begegnen, müssen bekämpft werden.
       Da gibt es bei mir null Toleranz. Der Fußball bietet immer noch viel zu
       viele Nischen für Anschauungen, die anderswo längst inakzeptabel sind. Der
       Unterwanderung von Fußballklubs durch Neofaschisten muss ein Riegel
       vorgeschoben werden. Wer Nazis in seinem Verein duldet, hat im DFB nichts
       verloren. Da hat der DFB viel zu oft verleugnet, dass es Probleme in
       manchen Klubs und in vielen Kurven gibt. An dieser Stelle fordere ich
       absolute Ehrlichkeit. Ein Problem kann man nur bekämpfen, wenn man zugibt,
       dass es ein Problem gibt.
       
       Aber das sind doch nur Nischenthemen. Die meisten denken an die
       Nationalmannschaft, wenn vom DFB die Rede ist. 
       
       Das ist die wichtigste Sportmannschaft des Landes, und es ist Aufgabe des
       DFB-Präsidenten, dafür zu sorgen, dass dies so bleibt. Er sollte auch
       darauf achten, dass nicht irgendwann ein Ausrüster oder eine große
       Automarke über die Nationalmannschaft bestimmt. Die Auswahl sollte auch
       nicht allzu staatstragend daherkommen. Sie ist nicht mehr als eine
       Sportmannschaft. Mich stört es schon lange, dass Länderspiele in
       Deutschland wie nationale Weihefeste inszeniert werden. Wer einzig und
       allein darauf achtet, ob alle Nationalspieler die deutsche Hymne unfallfrei
       mitsingen können, sorgt nicht unbedingt dafür, dass der deutsche Fußball
       erfolgreich ist.
       
       Dann machst du dir auch keine großen Gedanken über das zerrüttete
       Verhältnis von Michael Ballack und Bundestrainer Joachim Löw. 
       
       Vielleicht mögen sich die beiden irgendwann einmal wieder. Vielleicht
       schreibt aber Michael Ballack auch irgendwann ein Buch mit bitterbösen
       Zeilen über Joachim Löw. Auch das muss der DFB aushalten können. Kritische
       Sportler muss ein Riesenverband wie der DFB aushalten können. Einen Philipp
       Lahm abzumahnen, nur weil er geschrieben hat, dass er das Training unter
       Rudi Völler nicht besonders anstrengend gefunden hat, ist doch lächerlich.
       Das Recht auf freie Meinungsäußerung steht auch einem Nationalspieler zu.
       Aber ich will nicht schon wieder Zustände wie in Nordkorea anprangern.
       
       Unterstützen Sie Andreas Rüttenauer und sein "Manifest für den deutschen
       Fußball 2020" auf [1][taz.de/dfb-kandidat]
       
       20 Jan 2012
       
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