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       # taz.de -- Kolumne Alles Bio?: Daten in Zeiten des Postprivaten
       
       > Wenn Sex-Daten aus ihrem eigentlichen Umfeld verloren gehen, ist das echt
       > nicht witzig. Für die Intimsphäre gilt: lieber datensparsam! Denn mehr
       > Daten bringen da eh nicht mehr.
       
       Natürlich war ich auch an diesem Wochenende wieder auf einer Party. So ist
       das in diesem Berlin. Es waren Menschen da, Musik, Alkohol gab es natürlich
       auch.
       
       Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Privacy, der neue Trend!
       Jahrelang dachten wir, die Welt würde besser, wenn wir alles über den
       anderen wissen - und nun die Ernüchterung. Datingbörsen bringen im Grunde
       nichts. Mir zumindest nicht. Außer für die Selbstvergewisserung.
       
       Das sagt implizit auch Eva Illouz in ihrem Buch "Gefühle in Zeiten des
       Kapitalismus". Die meisten Leute verbrächten viel Zeit damit, ihr Profil zu
       pflegen. Machten extra Fotos an Zeitpunkten, wenn sie "besonders gut"
       aussehen. Und sind dann enttäuscht, wenn sie das mühevoll angelockte
       Gegenüber das erste Mal treffen: die Foto-Enttäuschung.
       
       Mehr sensible Daten bedeuten also einfach nur mehr Gefahr. Ich habe von den
       Checkern beim Chaos Computer Club gelernt. Zwar hassen die "Post Privacy"
       nicht mehr ganz so wie früher. Dennoch sind die Hacker-Mahnungen
       angekommen: Es wäre nicht schön, wenn Daten aus Dating-Communities aus
       ihrem ursprünglichen Kontext in einen anderen überführt würden. Wer will
       schon seine sexuellen Vorlieben und Diskussionen darüber in einem fiesen
       Forum von, zum Beispiel, pubertären Piraten nachlesen.
       
       Also weg mit den meisten Vorlieben beim sozialen Netzwerk Fetlife. Das
       ganze Profil gelöscht habe ich nicht. Ließ mich von einem freundlichen
       "Caretaker" überreden, das doch nicht zu machen. So habe ich weiterhin die
       Gelegenheit, die Profile meiner Freunde zu besuchen. Netter Gossip, mehr
       nicht. Den man sich übrigens auch nicht merkt. So lange man innerhalb der
       Community ist, ist alles total normal. Und also auch egal.
       
       Ich will übrigens nicht sagen, dass Datingbörsen allesamt für die Tonne
       sind. Bei den Schwulen soll Gayromeo - "die blauen Seiten" - ja die ganze
       Kultur der politischen Schwulengruppen kaputtgemacht haben. Eine sehr
       erfolgreiche Community! Und ganz vielen Menschen - und damit sind nicht nur
       die 18- bis 39-Jährigen gemeint - helfen solche Börsen, einen neuen Partner
       zu finden. Das Internet hat die Partnerwahl erweitert, bis ins Unendliche.
       Das ist erst einmal gut, auch wenn es die lebenslange romantische Liebe
       noch ein bisschen mehr auf den Müllhaufen der Geschichte verweist.
       
       Ein Freund sagte mir: Die heterosexuellen Datingbörsen machen nur so lange
       Spaß, bis die Masse sie stürmt. Eine interessante These, die ich nicht
       weiter überprüft habe - es kann aber schon sein, dass bei den Heteros mehr
       Diversität möglich ist. Weil ganz einfach mehr Leute in dieser Welt
       heterosexuell lieben. Mich zum Beispiel spricht eine Börse mit dem Titel
       poppen.de nicht an. Andere werden da eventuell glücklich.
       
       Ich hingegen bleibe glücklich bei Fetlife. Nicht nur gut programmiert und
       durchdacht, sondern auch mit einer Vielfalt an sexuellen Orientierungen,
       die man sich auswählen kann. Genderqueer, Homoflexible, Vanilla - alles ist
       möglich. Zum Glück hab ich mein Profil nicht gelöscht. Prost Privacy!
       
       17 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Seeliger
       
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