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       # taz.de -- Montis Antrittsbesuch bei Angela Merkel: Sparen allein ist auch keine Lösung
       
       > Italiens Premier Mario Monti warnt vor Populismus und fordert eine
       > wachstumsfreundlichere Wirtschaftspolitik. Die EU-Kommission will den
       > Sparkurs hingegen verschärfen.
       
   IMG Bild: Durchaus selbstbewusst: Mario Monti beim Antrittsbesuch in Berlin.
       
       BRÜSSEL taz | Der italienische Premier Mario Monti hat vor antieuropäischen
       Protesten in seinem Land gewarnt und einen Kurswechsel in der
       Wirtschaftspolitik gefordert. Sparen allein reiche nicht aus, die
       Wirtschaft brauche auch Wachstumsimpulse, sagte Monti bei seinem
       Antrittsbesuch am Mittwoch in Berlin. Außerdem forderte er mehr Solidarität
       und mehr Verständnis von der Bundesregierung.
       
       Das Gespräch bei Kanzlerin Angela Merkel dauerte länger als geplant – was
       darauf hindeutet, dass es hinter den Kulissen heftig gekracht hat. Merkel
       bemühte sich hinterher, diesen Eindruck zu zerstreuen. Sie lobte Montis
       Sparkurs, für den sie "großen Respekt" habe, und gab sich sicher, "dass die
       Arbeit der italienischen Regierung auch honoriert wird".
       
       Monti will es jedoch nicht bei schönen Worten belassen. Ähnlich wie
       Frankreichs Präsident Nicoals Sarkozy fordert er, die EU müsse mehr für das
       Wirtschaftswachstum tun; außerdem möchte er den künftigen Eurorettungsfonds
       ESM aufstocken. Hintergrund: Italien muss wieder Rekordzinsen für seine
       Anleihen zahlen – wie schon zu Zeiten von Montis Amtsvorgänger Silvio
       Berlusconi.
       
       Die Zinsen von fast sieben Prozent kann sich Rom aber nicht lange leisten.
       In den nächsten Wochen muss Italien Schulden in Milliardenhöhe
       refinanzieren; das könnte schwierig werden. Außerdem fürchtet Monti
       Massenproteste, wenn die Sparmaßnahmen keine Wirkung zeigen. Er hat Merkel
       nach eigenen Worten den "Seelenzustand der Italiener" erklärt.
       
       In einem Interview der Welt hatte Monti zuvor vor antieuropäischen und
       antideutschen Protesten gewarnt. Er könne keinen Erfolg haben, "wenn die
       Politik der EU sich nicht ändert", sagte Monti. Die bisher sehr
       europafreundlichen Italiener könnten sich dann in die Arme von Populisten
       flüchten.
       
       In Brüssel zeichnet sich allerdings kein Kurswechsel ab, im Gegenteil: Die
       EU-Kommission will den Sparkurs weiter verschärfen. Gegen 23 der 27
       EU-Länder (darunter auch Deutschland) läuft laut Währungskommissar Olli
       Rehn derzeit ein Prüfverfahren wegen zu hoher Budgetdefizite. Zwar muss
       derzeit nur Ungarn mit Strafen rechnen. Er sei jedoch fest entschlossen,
       die im letzten Jahr beschlossenen Regeln zur Budgetkontrolle anzuwenden.
       "Wir leben in einer neuen Welt strengerer wirtschaftspolitischer
       Abstimmung".
       
       Die EU hatte im letzten Jahr das "Sixpack" zur Wirtschaftspolitik
       beschlossen, das mehr Überwachung und härtere Sanktionen für
       "Defizitsünder" vorsieht. Die neuen Regeln sollen auch in die Fiskalunion
       eingehen, über die derzeit auf deutsche Initiative in Brüssel verhandelt
       wird. Merkel zeigte sich zuversichtlich, dass der dazu nötige neue Vertrag
       bis zum nächsten EU-Gipfel Ende Januar fertig wird.
       
       11 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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