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       # taz.de -- Volkswirt über Italiens Wirtschaftskrise: "7 Prozent Zinsen sind tragbar"
       
       > Italien muss sich frisches Geld besorgen. Das Land kann hohe Zinsen
       > finanzieren, sagt der Ökonom Schmieding. Dennoch könnte die Krise
       > eskalieren - es komme auf die EZB an.
       
   IMG Bild: So schlecht geht es Italien nicht: Schlange vorm Mailänder Gucci-Store Anfang Januar.
       
       taz: Herr Schmieding, Italiens Premier Mario Monti war bei Kanzlerin
       Merkel, und er hatte eine klare Botschaft: Die Zinsen für Italien müssen
       sinken. Hat Monti recht? 
       
       Holger Schmieding: Nein. Die heutigen Zinsen von bis zu 7 Prozent kann
       Italien eine Zeit lang tragen.
       
       Die Wirtschaft Italiens schrumpft. Wie soll das Land 7 Prozent Zinsen
       finanzieren? 
       
       Italien steht beim Staatsdefizit besser da als die meisten Euroländer. Ohne
       Zinsen ist der Haushalt deutlich im Plus – weist also einen
       "Primärüberschuss" aus. Wenn Italien sich jetzt reformiert, werden die
       Risikoprämien wieder sinken.
       
       Wie soll das klappen? Die meisten Investoren fürchten eine Pleite Italiens.
       Deswegen kaufen sie keine italienischen Staatsanleihen mehr – was die
       Zinsen nach oben treibt. 
       
       Ja, es gibt eine Art Käuferstreik. Es war ein Fehler, private Investoren an
       der Umschuldung Griechenlands zu beteiligen, ohne Italien vorher
       abzusichern. Dies war ein Signal für die Anleger, dass auch andere
       südeuropäische Länder pleitegehen können. Seither meiden sie Italien.
       
       Und wie wollen Sie diesen Käuferstreik beenden? 
       
       Die Europäische Zentralbank (EZB) muss deutlich sagen, dass sie Italien
       nicht pleitegehen lässt, sofern sich das Land an alle Reformauflagen hält.
       Jenseits von 7,5 Prozent Zinsen muss Schluss sein. Dann könnten Investoren
       sicher sein, dass Italien nicht durch immer höhere Risikoaufschläge in die
       Pleite getrieben wird.
       
       Aber wäre das nicht ein Gratisgeschenk an die Banken? Sie würden hohe
       Zinsen in Italien kassieren – und könnten dank EZB gleichzeitig sicher
       sein, dass das Land nicht pleitegeht. 
       
       Die Banken und andere Anleger müssten immer noch das Risiko tragen, dass
       Italien nicht ausreichend reformiert – und deswegen von Europa nicht mehr
       gestützt wird. Die Investoren würden nur davor geschützt, dass eine
       Massenpanik unter den Anlegern ausbricht und Italien dadurch in den Konkurs
       getrieben wird, obwohl es alle Reformauflagen erfüllt.
       
       Trotzdem: Wenn die EZB ein Zinsziel festsetzen soll – warum möchten Sie,
       dass die Grenze bei 7,5 Prozent liegt? Das Zinsziel könnten doch 4 sein.
       Dann wäre es für Italien einfacher, Schulden abzubauen. 
       
       Risikoaufschläge haben eine Lenkungsfunktion. Sie bestrafen Länder, die
       keine solide Haushaltspolitik betreiben.
       
       Wo immer man die Zinsobergrenze ansetzt: Bisher ist die Bundesregierung
       sowieso dagegen, dass die EZB unbegrenzt Staatsanleihen aufkauft. 
       
       Die EZB entscheidet, nicht die Bundesregierung. Aber sollte die Eurokrise
       weiter eskalieren, würde die Kanzlerin einen solchen EZB-Eingriff wohl
       unterstützen. Allerdings muss Italien "liefern", wie es auf Neudeutsch
       heißt – und glaubhaft reformieren.
       
       Und was ist mit der Bundesbank? Sie verhindert bisher, dass die EZB massiv
       eingreift. 
       
       Bei der Bundesbank ist die Schmerzgrenze sicher am höchsten. Aber ich bin
       mir sicher, dass letztlich alle den Euro mit allen Mitteln retten wollen.
       
       Im EZB-Rat gilt die einfache Mehrheit. Könnten die anderen Euro-Notenbanken
       die Bundesbank nicht überstimmen? 
       
       Das wäre gefährlich. Dann würde keine Ruhe auf den Finanzmärkten eintreten,
       sondern die Diskussion losbrechen, ob Deutschland den Euro verlässt.
       
       12 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Herrmann
       
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